Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
Namen, Bankauszüge, Scheckbücher, Einkäufe, Lieferanten. Eine Auf - stellung der erpressten Bars, Kneipen und Restaurants. Noch besser: die Namen und Adressen aller Industriellen aus der Gegend, die den Front National unterstützen.«
Ich übertrieb ein bisschen, aber das ging in Ordnung. Batisti hatte mich auf der ganzen Linie geblufft. Wenn Zucca auch nur den leisesten Verdacht gegen Brunel gehegt hätte, hätte er zwei Männer in sein Büro geschickt. Ein Kopfschuss, und fertig. Er hätte die Angelegenheit im Handumdrehen erledigt. Zucca hatte das Alter der Winkelzüge überschritten. Er hatte eine klare Linie. Und nichts hätte ihn davon abgebracht. Das war das Geheimnis seines Erfolgs.
So einen Job hätte Zucca Manu niemals anvertraut. Er war kein Killer. Baristi hatte Manu auf seine eigene Verantwortung zu Brunel geschickt. Warum, wusste ich nicht. Welches Spiel spielte er auf diesem vergifteten Schachbrett? Babette hatte da eine klare Meinung: Er mischte nicht mehr mit. Manu war in die Falle getappt. Einen Auftrag für Zucca lehnt man nicht ab. Er vertraute Baristi. Wenn es um so viel Moos ging, kniff man nicht.
Das waren meine Schlussfolgerungen. Sie hinkten. Sie warfen mehr Fragen auf, als sie beantworteten. Aber ich war dicht dran. Und ich war zu weit gegangen. Ich wollte sie alle haben, von Angesicht zu Angesicht. Es ging um die Wahrheit. Und wenn ich dabei draufging.
»Wir schließen in einer Stunde. Bring den Papierkram mit.«
Er legte auf. Batisti hatte also die Dokumente. Und er hatte Zucca durch Ugo umlegen lassen. Und Manu?
Mavros kam zwanzig Minuten nach meinem Anruf. Ich hatte keine andere Lösung gefunden, als ihn anzurufen. Den schwarzen Peter an ihn weiterzureichen. Ihm Driss und Karine anzuvertrauen. Er schlief nicht. Er sah gerade Apocalypse Now von Coppola. Mindes - tens zum vierten Mal. Der Film faszinierte ihn, und er verstand ihn nicht. Ich erinnerte mich an den Song der Doors. The End.
Das Ende kündigte sich an, es kam unaufhaltsam auf uns zu. Wir brauchten nur die Zeitung auf der Seite für Internationales oder bei den vermischten Nachrichten aufzuschlagen. Atomwaffen waren nicht nötig. Wir brachten uns mit vorgeschichtlicher Wildheit gegen - seitig um. Wir waren nichts anderes als Dinosaurier. Schlimmer noch: Wir wussten es.
Mavros zögerte nicht. Driss war jedes Risiko wert. Er hatte den Jungen von Anfang an gemocht. Diese Dinge waren nicht zu erklären. Wie die erotische Spannung, die einen mehr zu einem Menschen zieht als zu einem anderen. Er würde Driss in den Ring stellen. Er würde ihm das Kämpfen beibringen. Und das Denken. Denken mit der Linken, mit der Rechten. Mit der Verlängerung des Arms. Er würde ihn zum Sprechen bringen. Von sich, von der Mutter, die er nicht gekannt hatte, von Leila. Von Toni. Bis verarbeitet war, was er aus Liebe und aus Hass getan hatte. Mit Hass konnte man nicht leben. Auch nicht boxen. Es gab Regeln. Sie waren oft ungerecht, zu oft. Aber Respekt vor den Regeln rettete einem die Haut. Und in dieser versauten Welt war es immer noch das höchste aller Gefühle, am Leben zu bleiben. Driss würde Mavros zuhören. Er konnte selber eine ganze Latte Dummheiten berichten. Mit neunzehn hatte er ein Jahr Knast gekriegt, weil er seinen Trainer verprügelt hatte. Der hatte ihn um seinen Sieg betrogen. Als man die beiden endlich trennte, war der Trainer halb tot. Und Mavros hatte nie beweisen können, dass das Match arrangiert worden war. Im Knast konnte er über all das nachdenken.
Mavros zwinkerte mir zu. Wir waren uns einig. Wir konnten keinem der vier Kinder zumuten, die Verantwortung für den Mord zu tragen. Toni hatte nichts anderes verdient. Heute Abend hatte ihn sein gerechtes Schicksal ereilt. Sie aber sollten eine Chance haben. Sie waren jung, sie liebten sich. Selbst mit einem guten Rechtsanwalt hielt die Verteidigung nicht stand. Notwehr? Das musste man erst nachweisen können. Leilas Vergewaltigung? Dafür existierte kein Beweis.
Bei einem Prozess oder schon vorher würde Karine verstört berichten, was passiert war. Driss war dann nur noch ein Araber aus den nördlichen Vierteln, der kaltblütig einen jungen Mann umgebracht hatte. Einen Verbrecher, sicher, aber einen Franzosen, einen Arbeitersohn. Zwei Araber und ein Mädchen, die junge Schwester, unter ihrem Einfluss. Ich war mir nicht einmal sicher, ob Karines Eltern auf Anraten ihres Rechtsanwalts nicht sogar Driss, Kader und Yasmine beschuldigen würden. Um für ihre Tochter
Weitere Kostenlose Bücher