Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
mildernde Umstände zu erwirken.
Als wir Tonis Leiche wegschafften, begab ich mich außerhalb des Gesetzes. Und ich zog Mavros mit. Aber die Frage stellte sich nicht mehr. Mavros hatte schon alles in die Wege geleitet. Er schloss das Boxstudio bis September und fuhr mit Driss und Karine in die Berge. In die Alpen, nach Orcières. Dort hatte er ein kleines Ferienhaus. Ausflüge, Schwimmbad und Fahrräder inbegriffen. Karine hatte keine Kurse mehr, und Driss stand in seiner Garage kurz vor der Überdosis. Kader und Yasmine brachen morgen nach Paris auf. Mit Mouloud, wenn er wollte. Er konnte mit ihnen leben. Der Lebensmittelladen warf genug für drei ab, da war Kader sicher.
Ich hatte Tonis Golf vor die Tür gefahren. Kader stand draußen Schmiere. Aber es gab nichts zu befürchten. Die reinste Wüste. Keine Katze. Nicht einmal eine Ratte. Nur wir, mit unserem Versuch, die Wahrheit zu vertuschen, weil wir die Welt nicht ändern konnten. Mavros öffnete die Heckklappe, und ich schob Tonis Leiche hinein. Ich ging um den Wagen herum, öffnete und setzte Toni hin. Ich befestigte ihn mit dem Sicherheitsgurt. Driss kam zu mir. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ihm ging es gleich. Schließlich umarmte er mich und drückte mich fest. Und küsste mich. Dann Kader, Yasmine und Karine. Niemand sagte ein Wort.
Mavros legte seinen Arm um meine Schultern. »Ich lass von mir hören.«
Ich sah, wie Kader und Yasmine in Leilas Panda stiegen, Driss und Karine in Mavros' 404 kletterten. Sie führen los. Alle waren weg. Ich dachte an Marie-Lou. Bonjour Tristesse. Ich setzte mich ans Steuer des Golfs. Ein Blick in den Rückspiegel. Immer noch Wüste. Ich legte den ersten Gang ein. Und auf gings!
F ü nfzehntes Kapitel
In dem der Hass
das Drehbuch schreibt
Ich kam eine halbe Stunde zu spät, und das rettete mich. Das Restanques hatte Festbeleuchtung wie zum Nationalfeiertag. Etwa dreißig Blaulichter. Gendarmerie-und Polizeifahrzeuge, Krankenwagen. Genau die halbe Stunde, die ich gebraucht hatte, um Tonis Golf auf das dritte unterirdische Parkdeck der Zentralen Börse zu fahren, alle Fingerabdrücke abzuwischen, ein Taxi zu finden und zurück nach Belle-de-Mai zu kommen, um meinen Wagen zu holen.
Ich hatte Schwierigkeiten, ein Taxi zu finden. Es hätte noch gefehlt, sagte ich mir, auf Sanchez zu stoßen. Aber nein. Ich hatte nur seinen Abklatsch mit einem Aufkleber der Flamme des Front National über der Zähluhr als Krönung. Auf dem Cours Belsunce hätte mich jeder Streifenwagen anhalten können. Um diese Zeit allein zu Fuß unterwegs zu sein, war schon ein Delikt. Keiner kam vorbei. Man hätte mich leicht umlegen können. Aber ich traf auch keinen Mörder. Alle Welt schlief friedlich.
Ich parkte auf der anderen Seite des Parkplatzes des Restanques. Auf der Straße, zwei Räder im Gras, hinter einem Wagen von Radio France. Die Nachricht hatte sich schnell verbreitet. Alle Journalisten schienen da zu sein, mühsam von einer Absperrung der Gendar - merie vor dem Eingang des Restanques zurückgehalten.
Irgendwo musste Babette sein. Obwohl nicht für aktuelle Meldungen zuständig, war sie gern vor Ort. Eine alte Gewohnheit der Lokaljournalisten.
Ich erblickte sie, wie sie locker beim Team von France 3 stand. Ich ging auf sie zu, legte meinen Arm um ihre Schulter und flüsterte ihr ins Ohr: »Und mit dem, was ich dir erzählen werde, hast du die größte Story deines Lebens.« Ich küsste sie auf die Wange. »Hallo, meine Schöne.«
»Du kommst zu spät fürs Massaker.«
»Ich wäre fast mit draufgegangen. Also, ich bin eher stolz auf mich!«
»Red keinen Stuss.«
»Weiß man, wer liquidiert wurde?«
»Emile und Joseph Poli. Und Brunel .«
Ich schnitt eine Grimasse. Blieben also die beiden Gefährlichsten auf freiem Fuß. Morvan und Wepler. Batisti ebenfalls. Da Simone lebte, lebte Batisti wohl auch. Wer war für den Überfall verantwort - lich? Die Italiener hätten alle liquidiert. Morvan und Wepler? Arbeiteten sie für Batisti? Ich verlor mich in Mutmaßungen.
Babette nahm mich bei der Hand und zog mich weg von den Journalisten. Wir setzten uns auf den Boden, mit dem Rücken an die kleine Mauer des Parkplatzes gelehnt, und sie erzählte mir, was passiert war. Oder das, was man ihnen gesagt hatte.
Gegen Mitternacht, kurz vor Feierabend, hatten zwei Männer das Restaurant gestürmt. Ein letztes Gästepaar war gerade gegangen. In den Küchenräumen war keiner mehr. Es war nur noch einer der Kellner da. Er war
Weitere Kostenlose Bücher