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Marshall McLuhan

Marshall McLuhan

Titel: Marshall McLuhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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auf deinen Platz, 3A, und der Typ neben dir kneift der Stewardess in den Hintern. Sie kichert.
    Du fliegst über einen Kontinent.
    Der Wagen, der dich auf der anderen Seite abholt, steht im Leerlauf da und pumpt dicke bleihaltige Rauchwolken in die Luft. Genau wie alle anderen Autos um dich herum. Keiner der Wagen hat einen Anschnallgurt. Der Himmel ist braun.
    Eine Frau auf dem Bürgersteig nimmt eine Pille. Alle Menschen nehmen Pillen: Amphetamine, um abzunehmen, Barbiturate, um schlafen zu können. Aber du bist ganz ruhig. Du fühlst dich wie eine Kathedrale aus Sandstein, durch deren farbige Glasfenster Licht dringt. Du erlebst die Welt, aber sie berührt dich nicht. Man fährt dich zu einem Wolkenkratzer, wo ein paar reiche Menschen dir Tausende von Dollars zahlen, damit du ihnen erzählst, was dir gerade durch den Kopf geht.
    Kawumms!
    Als 1962
The Gutenberg Galaxy
erschien, überschlugen sich die Rezensenten vor Begeisterung. Das Buch gewann den kanadischen Governor General’s Award for Nonfiction und erhielt weithin ausgezeichnete Kritiken. Sein eigenwilliger Stil, gepaart mit seinem Hang zur Wiederholung schreckte aber auch ein paar Kritiker ab, andere empfanden ganze Abschnitte als Quatsch. Marshall war das Kind mit der intellektuellen Erdnuss-Allergie, das uns vor einer vergifteten Welt warnt. Das Buch stellt so viele Ideen vor – es scheint fast eine neue, noch zu erfindende Seinsweise anzustreben. Immer wieder macht McLuhan klar, dass er die gottlose moderne Welt verachtet, in der nur die niedersten Triebe bedient würden und so gut wie jeder wissenschaftliche Fortschritt im Dienste der Vereinheitlichung stehe. Die irdische Welt ist für Marshall ganz offensichtlich nicht zu ertragen, dabei wirkt er mal arrogant, mal charmant, witzig, langweilig, aufrührerisch, naiv, berauscht, göttergleich oder einfach nur schwachsinnig – aber man liest weiter. Erstaunlicherweise findet sich, nachdem wir uns Seite für Seite durch Marshalls Verachtung für die Welt gearbeitet haben, auf Seite 135 der kanadischen Taschenbuchausgabe, wie eine Flaschenpost, eine Zeile, die Hoffnung macht: »Wir sind weit davon entfernt, die mechanische Kultur der Gutenberg-Zeit zu unterschätzen; ja, wir glauben sogar, wir müssen uns alle Mühe geben, um die von ihr verwirklichten Werte bewahren zu können.« (!!!) Die Büchse der Pandora wird geschlossen.
    Spickzettel
    Strukturell gesehen unterteilt
Die Gutenberg-Galaxis
die Entwicklung von der Stammesgesellschaft zum modernen Menschen– und dann zurück zur Stammesgesellschaft – in vier Entwicklungsstufen.
    Marshall definiert Stammesgesellschaften als orale Kulturen, deren Angehörige in einer emotionsgeladenen Sprache miteinander kommunizierten. Diese nicht-alphabetisierten Gesellschaften waren politisch engagiert, von Emotionen bestimmt, eng miteinander verbunden und eine Einheit. Sie lebten in einem, so Marshall, »akustischen Raum«.
    Dieser Raum wurde durch das phonetische Alphabet unterminiert. Es nahm der Sprache ihre emotionale Dimension und schuf im Zuge ihres Finneganschen Leichenschmauses den linearen, individualistischen Menschen der westlichen Welt – den »Gutenberg-Mensch«. Mit dem 16. Jahrhundert löste das Auge das Ohr als wichtigstes Sinnesorgan ab. Die Druckerpresse war im Grunde verantwortlich für die Industrielle Revolution, das Bürgertum, Nationalismus und Kapitalismus und schuf letztendlich eine »mechanische Kultur«.
    Die elektronischen Medien, angefangen mit dem Telegrafen, führten die Gesellschaft jedoch weg von ihrer mechanischen Ausprägung. Marshall betrachtete sie als Ausweitung des menschlichen Nervensystems, wobei das Fernsehen die wichtigste Rolle spielt, weil es diverse Sinne anspricht.
    Die Pointe, die Marshall zum Star machte, war seine (letztendlich nur allzu wahre) Behauptung, das Fernsehen sei, wie zukünftige Technologien auch, in der Lage, den Menschen zu retribalisieren und zurück zu seinen Wurzeln, in die orale Stammesgesellschaft, zu führen.
    Abgesehen davon …
    … ist
Die Gutenberg-Galaxis
vielleicht eines der am schwersten zu lesenden und letztendlich doch bereicherndsten Bücher des 20. Jahrhunderts. Es erklärt so vieles und nimmt den Leser nebenbeiimmer wieder mit auf kleine Reisen in seltsame, charmante Sackgassen. In einem, von Marshall so bezeichneten, Mosaikstil geschrieben ist der Text hermetisch, prägnant und häufig schwer verständlich und schöpft sich aus Quellen wie dem jugoslawischen Epos und der modernen

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