Marshall McLuhan
Skulptur. Hier eine der unergründlicheren Stellen:
Ein Loch im Boden ist kein geschlossener Raum, weil es, wie ein Dreieck oder ein Tipi, die Kraftlinien nur ausstellt. Ein Quadrat stellt die Kraftlinien nicht aus, sondern ist eine Übersetzung dieser taktilen Kraft ins Visuelle. Diese Übersetzung findet erst mit dem Schreiben statt. Und jeder, der sich die Mühe macht, Emile Durkheims
Über die Teilung der sozialen Arbeit
zu lesen, wird wissen warum.
Der Handschuh ist geworfen. 24 Bist du bereit für die
Gutenberg-Galaxis
?
Pop!
Zu seinem weltweiten Ruhm kam Marshall mit Hilfe zweier Männer aus San Franciscoer Medienkreisen, Gerald Feigen und Howard Gossage. 1965 organisierten sie ein McLuhan-Festival in den Büroräumen von Gossages Werbeagentur. Der angehende Journalismus-Superstar Tom Wolfe war da und schrieb im Anschluss seinen bahnbrechenden Artikel »What if He Is Right?« (Was, wenn er Recht hat?). Feigen und Gossage brachten Marshall außerdem nach New York und machten ihn auf einer Reihe von Cocktailpartys und Treffen mit diversen New Yorker Pressegrößen bekannt. Er war in allen Magazinen. Er verkörperte den Geist von 1965.
Man darf nicht vergessen, dass Marshall damals Mitte fünfzig war. Er war zu alt für ein Partymonster, einen Rockstar oder eine Primadonna, er war ein altmodischer Kauz in einem Glencheck-Jackett, der, wenn er mit Führungskräften sprach, die ein Vermögen in der Hoffnung auf ein paar Erkenntnisse ausgegeben hatten, oft aussah wie ein zerstreuter Professor, der gerade Klausuren benotete. Und während die Hippies ihm wie einem Guru in Scharen zuströmten, waren sie für Marshall Ausdruck all dessen, was an der Entwicklung der Welt schief lief. Natürlich ging seine Politik des Nicht-Bewertens zumindest in diesem Fall nach hinten los – seine Kritiker glaubten fälschlicherweise, nur weil er seine Zeit mit Hippies verbrachte, vertrete er unausgesprochen auch ihre Ansichten.
Dank seines zunehmenden Ruhms in Amerika (ein Prozess, der durch seine Bekanntschaft mit überzeugten Fans aus der Medienwelt, die über gute Beziehungen verfügten, noch beschleunigt wurde), lagen seine Honorare 1964 bei mindestens $ 500 pro Vortrag oder Seminar, und das bei bestimmt vierzig auswärtigen Einladungen im Jahr. Die Entscheidungsträger an der U of T wussten, dass sie schnell reagieren mussten, wenn sie ihn nicht an eine andere Universität verlieren wollten. Gleichzeitigerkannten sie, dass dafür ein neuer Fachbereich geschaffen werden musste. Marshall, der oft Paranoia vor universitärer Klüngelpolitik hatte, konnte ausnahmsweise mal durchatmen und sich mit der Tatsache abfinden, dass seine Kollegen zwar eifersüchtig waren, aber offenbar doch der Meinung waren, er sei einer großen Sache auf der Spur.
Also erlaubten sie Marshall 1963, das Centre for Culture and Technology zu gründen. Es wurde in einem ehemaligen Wagenschuppen auf dem Campus untergebracht, und sein Zweck war es, die psychologischen und sozialen Konsequenzen sämtlicher Technologien zu erforschen und darüber hinaus den Dialog zwischen den einzelnen Fakultäten zu fördern. Es verfügte über einen angemessenen Etat und war unbürokratisch genug, um von Marshall zusammen mit einem Assistenten und einer Sekretärin, Margaret Stewart, geführt zu werden. Die angebotene Vorlesungsreihe wurde etwas kryptisch wie folgt angekündigt:
C&T 1000Y/1001F&F
Medien und Gesellschaft/Der Kurs betrachtet Medien als vom Menschen geschaffene Umgebungen, die bestimmte Dienste und Undienste leisten und dabei das Bewusstsein der Benutzer formen. Diese aktiven Umgebungen haben den allumfassenden Charakter mythischer Formen und treten als verborgener Hintergrund sämtlicher Aktivitäten auf. Der Kurs soll die Wahrnehmung für die Beschaffenheit und die Auswirkungen dieser sich ständig verändernden Strukturen schärfen.
Marshall nahm die Arbeit am Zentrum ernst. Er wollte anhand von Experimenten wissenschaftlich messen, wie der Mensch auf die Medien reagiert, vor allem auf das Fernsehen, von dem er glaubte, dass es eine Lesestörung verursache, weil es teilweise die zentralen Sehmuskeln lähme. Weiteres Forschungsziel war eine quantitative Bestimmung des Wohlgefühls, das Menschen dabei empfanden, verschiedene Stoffe auf der Haut zu spüren beziehungsweise unterschiedlichste Kunstformen zu betrachten.
Ein halbes Jahrhundert später erscheint einem das aufgesetzt, bedauernswert und zum Scheitern verurteilt (wenn auch gut gemeint). Es
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