Marter: Thriller (German Edition)
traf.
»Und mehr hat er nicht gesagt? ›Sie sollten Ihre Nase aus anderer Leute Angelegenheiten raushalten‹«, hakte er nach. »Sind Sie sicher?«
Piola nickte. »Ganz sicher.«
Marcello bemühte sich um einen mitfühlenden Gesichtsausdruck. »Das ist ja schrecklich«, erklärte er zum mittlerweile dritten oder vierten Mal. »Wirklich schrecklich.«
Wobei nicht ganz klar war, ob er damit meinte, dass es für Piola besonders schrecklich war oder für jeden, der auch nur am Rande mit den Ermittlungen zu tun hatte, fand Kat.
»Und haben Sie irgendeine Ahnung«, fuhr der Staatsanwalt fort, »weshalb das geschehen sein könnte?«
Piola reichte ihm eine Kopie von Maretas Disc.
»Sie wollen, dass ich mir das ansehe?«, fragte Marcello nervös.
»Bitte.«
Marcello hielt ganze zwei Minuten durch, ehe er schockiert auf die Stopptaste drückte. »Schrecklich«, wiederholte er nur.
»Die Verbindung zum organisierten Verbrechen lässt sich jetzt wohl nicht länger leugnen.«
»In der Tat.« Marcello nahm einen altmodisch aussehenden Füllfederhalter zur Hand und rollte ihn nervös zwischen den Fingern, wie ein Mann es mit einer Zigarre tun würde, die er sich im Moment nicht anzünden durfte. »Und weshalb sind Sie gleich noch mal im Besitz dieser CD ?«, erkundigte er sich nach kurzem Überlegen.
»Mareta Castiglione hat beschlossen, sie lieber den Carabinieri als der Polizia di Stato auszuhändigen«, erwiderte Piola. Er hielt es nicht für nötig, den Staatsanwalt damit zu belästigen, dass er Mareta mehr oder weniger gezwungen hatte, sie ihm zu geben.
Kat ertappte sich dabei, wie sie den Füller in der Hand von Staatsanwalt Marcello betrachtete. Es war ein Stift der Marke Aurora, aus der ältesten und angesehensten Mailänder Stiftmanufaktur. Die teuersten Modelle kosteten bis zu eintausend Euro.
»In gewisser Hinsicht«, sagte Marcello nun nachdenklich, »hatte der Täter also recht.«
»Wie bitte?«, fragte Piola überrascht.
»Ich will Sie ja nicht kritisieren, Colonnello, oder Ihre Verletzungen herunterspielen. Aber die richtige Vorgehensweise wäre gewesen, den Film sowie den Namen der Person, die ihn Ihnen ausgehändigt hat, direkt an den Commissario weiterzuleiten, der die Verantwortung für die Ermittlung in Sachen organisiertes Verbrechen im Rahmen dieses Falls innehat.«
Piola entgegnete nichts.
Marcello fuhr in diesem belehrenden Ton fort. »Tatsächlich zeigt diese unangenehme Sache doch vorbildlich, welche Gefahren sich ergeben, wenn man sich nicht an die gängigen Regeln hält. Ermittlungen gegen das organisierte Verbrechen erfordern besondere Maßnahmen zum Schutz der ermittelnden Beamten. Unter Umständen kann es ganz schön nach hinten losgehen, wenn man hier Spuren nachgeht, ohne die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen.«
»Avvocato«, sagte Piola. »Wenn ich Sie darauf hinweisen dürfte … Wir haben Grund zu der Annahme, dass wir eine größere Schlepperroute nach Osteuropa aufgedeckt haben könnten …«
»Ganz genau«, unterbrach Marcello ihn nickend. »Das organisierte Verbrechen. Der Fall sollte zunächst der Polizia di Stato übergeben werden und anschließend an die zuständigen internationalen Behörden.«
»Wir gehen davon aus, dass das Mädchen in dem Video aus Osteuropa stammt und in Italien gegen ihren Willen zur Prostitution gezwungen wurde. Kurz vor ihrem Tod befragten Jelena Babi ć und Barbara Holton eine Reihe von osteuropäischen Prostituierten in der Gegend um den Bahnhof Santa Lucia. Sie waren auf der Suche nach einem ganz bestimmten Mädchen, einer Kroatin. Ihr Tod und das organisierte Verbrechen stehen in diesem Fall untrennbar miteinander in Verbindung.« Piola hielt inne, als er sich bewusst wurde, dass er immer lauter geworden war.
Marcello würdigte ihn kaum eines Blickes. »Ich bin mir nur nicht sicher, ob Ihre Ermittlungen noch viel ergeben werden, Colonnello. Sie wissen nicht, wer das Mädchen in dem Video ist oder das Mädchen, nach dem die beiden Frauen gesucht haben, geschweige denn, weshalb sie überhaupt nach ihr gesucht haben. Und auch wenn ich selbstverständlich äußerst glücklich darüber bin, dass Sie Ihren lächerlichen Verdacht, die US -Armee könnte in die Mordfälle verwickelt sein, haben fallen lassen, scheint es mir doch, als wären wir in einer Sackgasse angelangt, was die Suche nach Beweisen betrifft.«
Piola seufzte. »Lassen Sie uns wenigstens dem Grund nachgehen, weshalb die beiden Mordopfer mit den Prostituierten gesprochen
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