Marter: Thriller (German Edition)
Italienisch. »Sie meinen, der Ort hier ist sicher. Ich nichts wissen, dass es so kalt.«
Melina war also bereits seit über drei Wochen hier und hatte sich von Pop-Tarts und Kichererbsen aus der Dose ernährt, die die älteren Frauen für sie gekauft hatten. Im Geiste verpasste Kat sich einen Tritt, dass sie nicht schon früher darauf gekommen war, was diese Supermarktbelege im Hotelzimmer der beiden Frauen sowie der Geruch nach Feuer auf Poveglia zu bedeuten hatten.
»Als die Polizei kam – ich und mein Boss und das Team von der Spurensicherung –, warum hast du dich da nicht gezeigt?«, fragte sie.
»Barbara sagen, soll ich nicht trauen der Polizei.« Melina schwieg einen kurzen Augenblick. »Ich dachte, Barbara wollte kommen und mich holen. Sie hat gesagt, dass sie das tut. Dann war Akku von meinem Handy leer.«
»Es tut mir so leid, aber Barbara ist tot«, sagte Kat so sanft wie möglich. »Und vermutlich weißt du auch, was mit Jelena passiert ist.«
»Ich war hier«, flüsterte sie. »Ich habe gesehen, wie der Mann sie töten, mitten während Messe. Er hat mich nicht gesehen, aber ich habe gesehen, wie er sie bringen zum Meer.«
»Konntest du ihn gut erkennen? Würdest du ihn wiedererkennen?«
»Ich glaube schon. Es war dunkel, aber Mond scheint.«
»Weißt du, wer er war, Melina?«
Sie schüttelte den Kopf. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, entschied Kat, um ein für alle Mal zu klären, in welcher Beziehung Bob Findlater zu ihr stand. »Komm, wir bringen dich zurück nach Venedig. Hast du irgendwelche Sachen hier? Kleidung? Eine Tasche?«
»Nur meinen Schlafsack. Er ist oben.« Sie warf einen Seitenblick auf Kat. »Ich müssen Sachen verbrennen, damit mir nicht kalt.«
»Mach dir keine Gedanken. Das wird niemanden interessieren. Dieses Gebäude hätte man schon vor Jahren niederreißen sollen.«
Sie gingen mit ihr nach oben, um ihren Schlafsack zu holen. Dort im Obergeschoss war es ein kleines bisschen weniger heruntergekommen, aber ohne Heizung mussten die Nächte bitterkalt gewesen sein. Kat kam der Gedanke, dass Melina ohne neue Lebensmittelvorräte, ohne Handyakku und ohne eine Möglichkeit, von der Insel wegzukommen, vermutlich früher oder später hier auf Poveglia gestorben wäre.
Gerade als sie wieder nach unten kamen und sich auf die Eingangstür zubewegten, trat eine dunkle Gestalt aus einer Türöffnung hinter ihnen und sagte: »Halt.«
Sie drehten sich um. Findlater hielt mit beiden Händen eine Pistole fest umklammert, der Körper perfekt in gerader Linie ausgerichtet, die Knie leicht gebeugt. Er wirkte zugleich wachsam und entspannt, wie jemand, der diese Haltung schon zigmal eingenommen hatte.
»Sie überraschen mich, Second Lieutenant Boland«, fügte er hinzu.
»Was meinen Sie damit?«, fragte Holly misstrauisch.
»Die erste Regel auf feindlichem Boden. Umgebung und Fluchtweg sichern. Sie sind eine Schande für das US -Militär.«
Holly erwiderte nichts.
»Alle drei nach draußen, sofort. Nehmt die Gefangenenposition ein auf der Terrasse. Das bedeutet hinknien und Hände hinter den Kopf. Keine dreht sich um, keine sieht die anderen an, keine redet, sonst schieße ich. Los.«
Sie taten, wie ihnen geheißen. Als Kat auf dem kalten Steinboden niederkniete, spürte sie, wie man ihr von hinten die Arme hob und etwas Weiches aus Gummi über die Handgelenke streifte.
»Wir nennen die hier Guantánamo-Fesseln«, hörte sie Findlaters Stimme an ihrem Ohr. »Oder kurz Gitmos. Ganz gleich, wie sehr ihr euch auch wehrt, sie hinterlassen keinerlei Spuren oder Abdrücke.«
Er ging weiter zu Holly und wiederholte die gleichen Handgriffe bei ihr. Melina sparte er sich als Letzte auf. Kat hörte, wie sie vor Schmerz nach Luft schnappte.
»Du bekommst keine Gitmos, mein Tochterherz«, bemerkte Findlater. »Die brauchst du nicht. Für dich habe ich die guten alten Spannriemen.«
Dann kam er zurück zu Kat und Holly. »Ihr zwei, steht auf und kommt mit mir.«
Mit der Waffe im Rücken trieb er sie durchs Gebüsch in Richtung Ufer. Kat riskierte einen Blick nach hinten. Melina lag auf der Seite, Arme und Beine gefesselt. Warum trennt er uns? , fragte Kat sich.
Dann aber überkam sie die eisige Erkenntnis, was der Grund hierfür war. Es war einerlei, ob Melina irgendwelche Spuren an den Handgelenken aufwies, weil man ihren Körper und die DNA , die ihn überführen könnten, niemals finden würde. Er würde sie umbringen, sie hinaus auf die Lagune fahren und über Bord werfen, und
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