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Marter: Thriller (German Edition)

Marter: Thriller (German Edition)

Titel: Marter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Holt
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interessanter, als Vorträge über die römische Militärgeschichte zu halten.«
    Trotz des Altersunterschieds hatte sie in ihm einen Menschen erkannt, der wie sie eine Art Außenseiter war, jemand, der wie sie das Ganze aus einem viel breiteren Blickwinkel betrachten konnte. Doch jetzt, da sie den Abend noch einmal Revue passieren ließ, wurde ihr erst bewusst, wie geschickt er sie geködert hatte. Er hatte vorgegeben, ihr helfen zu wollen – hatte es so aussehen lassen, als wäre er damit einverstanden, dass sie seine Dienste in Anspruch nahm. Doch ein Teil von ihr hatte durchaus verstanden, dass es möglicherweise auch umgekehrt war: dass es in Wirklichkeit sie gewesen war, die man umworben hatte, und zwar für einen Zweck, den sie immer noch nicht ganz durchschaute.

25
    »Sieh ihn dir an! Was für ein bezauberndes bambino ! Er bereitet ihr so viel Freude, nicht wahr?«
    Kat seufzte. Sosehr sie ihre Mutter auch liebte, manchmal wünschte sie, sie wäre wenigstens ein klein wenig feinfühliger. Wenn in jedem einzelnen Satz derartige Anspielungen versteckt waren, dann war so ein Essen im Kreis der Familie recht anstrengend.
    Ihre Mutter sprach von Kats dreizehn Monate altem Neffen Gabriele, der gerade auf dem Schoß von Kats Großmutter, Nonna Renata, saß. Gabriele hielt einen Teelöffel in der plumpen Faust, die noch dazu vom Essen beschmiert war. Auch sein mopsiges Gesichtchen war voll damit, es sah ein bisschen aus wie ein völlig verunglückter Versuch mit dem Lippenstift. Zu alldem hatte er ein breites, glückliches Grinsen im Gesicht, da Nonna Renata ihn gleichzeitig fütterte und ihn auf den Knien reiten ließ.
    »Neunundachtzig Jahre alt, und sie darf es noch erleben, ihre Urenkel zu sehen«, sagte ihre Mutter gerade. »Nun ja, ihren ersten Urenkel. Sie selbst hatte in deinem Alter natürlich bereits mich und all deine Onkel zur Welt gebracht. Und zuvor hatte sie auch noch vier Jahre lang im Krieg gedient.«
    Die eigentliche Botschaft dahinter war selbstverständlich die, dass Kats Schwester Clara es geschafft hatte, für Nachwuchs zu sorgen, während sie, Kat, bislang erfolglos geblieben war. Und Claras Babybauch, so rund wie eine Wassermelone, sowie ihr strahlendes Lächeln waren eine ständige Erinnerung daran, dass das zweite Kind bereits unterwegs war. Obwohl sie die ältere von den beiden Schwestern war, war Kat also eine ständige Enttäuschung. Seit der Schule hatte sie noch nicht mal mehr so etwas wie einen Freund mit nach Hause gebracht, da war an Kinder gar nicht erst zu denken. Ihrer Mutter war angesichts ihrer Berufswahl von Anfang an nicht recht wohl gewesen, und dass sie immer noch keinen festen Partner hatte, verstärkte ihre Sorge um sie.
    Für die Generation ihrer Eltern galten die Carabinieri als Witzfiguren, Zielscheiben des Gespötts. Selbst heute noch zog ihre Mutter liebend gern über sie her, nach einem oder zwei Gläschen Grappa … Ein Bauer sieht einen Wagen der Carabinieri rückwärts den Berg hochfahren. »Warum fahren Sie denn rückwärts?«, fragt er. »Weil wir nicht wissen, ob wir dort oben irgendwo umdrehen können«, lautet die Antwort. Kurze Zeit später sieht der Bauer dasselbe Fahrzeug den Berg wieder hinunterfahren, erneut rückwärts. »Und warum fahren Sie jetzt rückwärts?«, erkundigt er sich. »Wir haben doch eine Wendemöglichkeit gefunden«, erwidert der Carabiniere.
    Wie versengt man einem Carabiniere das Ohr? Man ruft ihn einfach an, während er bügelt.
    Um dem Ganzen zu entkommen, stand Kat auf und setzte sich neben Nonna Renata, die sie sehr mochte. Sie hegte schon lange den Verdacht, dass ihre Großmutter gar nicht so begeistert war von kleinen Babys, wie ihre Mutter annahm, und sie war daher kein bisschen verwundert, als ihr Gabriele schleunigst weitergereicht wurde, weil er »ein bisschen schwer« wurde. Daher übernahm sie jetzt das Füttern und das Säubern der klebrigen Fingerchen, während sie weiterredeten. Nonna Renata erzählte gerne Geschichten aus der Zeit, da sie ihre Tage mit den Garibaldis verbracht hatte, jenen Partisanen, die sich in die Berge zurückgezogen hatten, als die Deutschen Italien besetzten. Kat für ihren Teil wurde nie müde, ihr zuzuhören.
    »Wir konnten natürlich nicht heiraten«, sagte Nonna Renata kichernd. »Es gab keine Priester – sie waren alle davongelaufen. Wir lebten also einfach wie ein verheiratetes Paar, selbst jene von uns, die es gar nicht waren. Aber keine Babys, nicht wenn wir es verhindern konnten. Die

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