Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Martha Argerich

Martha Argerich

Titel: Martha Argerich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bellamy
Vom Netzwerk:
»Hier und dort«, erwiderte Michelangeli nonchalant. »Sie sind also ein Herumtreiber?«, ereiferte sich der Polizist. Michelangeli schenkte ihm ein Lächeln. »Ja, das bin ich wohl … ein Herumtreiber.« Er hatte gerade ein ganzes Jahr in einem Franziskanerkloster verbracht, um Orgel spielen zu lernen.
    Geboren am 5. Januar 1920 in der Nähe von Brescia, also unweit der Oberitalienischen Seenplatte, hatte Arturo Benedetti Michelangeli zunächst mit dem Geigenspiel begonnen, bis er wegen einer chronischen Lungenentzündung nicht mehr geigen konnte und ans Klavier wechseln musste. Sein Vater hatte sich um seine musikalische Ausbildung gekümmert, während seine Mutter ihm Lesen und Schreiben beibrachte. Mit fünf Jahren gab er sein erstes Recital. Mit elf Jahren kam er ans Konservatorium Giuseppe Verdi in Mailand. Fünf Jahre lang studierte er später außerdem Medizin, ohne hier jedoch jemals einen Abschluss zu machen, obwohl er für diese Disziplin offenbar genauso viel Talent besaß wie für die Musik.
    1938 errang er beim gerade erst ins Leben gerufenen Ysaÿe-Musikwettbewerb in Brüssel zur Überraschung aller lediglich den siebten Platz. Es heißt, Arthur Rubinstein, der Juryvorsitzende, habe dem Italiener eine besonders niedrige Bewertung zukommen lassen. Um die Kränkung zu mildern, schenkte ihm die belgische Königin Elisabeth goldene Manschettenknöpfe, die mit Diamanten in Form einer Sieben besetzt waren. »Die Sieben wird von nun an Ihre Glückszahl sein«, hatte ihm die Monarchin prophezeit und ihm als ausgezeichnete Geigerin die Ehre zuteilwerden lassen, sie bei einem Konzert im königlichen
Palast zu begleiten.
    Im Jahr darauf triumphierte Michelangeli beim Genfer Klavierwettbewerb, wo er sich den ersten Preis holte – nachdem er in der Reihenfolge der Teilnehmer durch Zufall an die siebte Stelle gesetzt worden war. Von diesem Tag an war er berühmt. Doch weit davon entfernt, überheblich zu werden, nahm er in aller Bescheidenheit eine Stelle als Professor am Konservatorium von Bologna an.
    Das Unterrichten war eine der großen Leidenschaften Michelangelis. Während der häufigen Unterbrechungen seiner Konzerttätigkeit, die er benötigte, um sein seelisches Gleichgewicht wieder zu erlangen, gab er sich dieser Passion hin. In diesen
Monaten empfing er seine Schüler in Moncalieri, unweit von Turin, in einem Haus, das dem Fiat-Chef Gianni Agnelli gehörte. Er war kein gewöhnlicher Lehrer. Ein australischer Pianist, der Monate damit verbracht hatte, eine Beethoven-Sonate einzuüben, mit dem einzigen Ziel, sie seinem Idol vorzuspielen, hatte ihn nach ein paar Takten ungeduldig brummen hören: »Diese Sonate ist nichts für Sie, spielen Sie lieber eine andere.« Der arme Junge erhielt nie mehr einen Vorspieltermin bei ihm.
    Martha Argerich blieb nicht weniger als eineinhalb Jahre bei Michelangeli, um am Ende gerade einmal vier Unterrichtsstunden von ihm bekommen zu haben! Vergeblich wartete sie darauf, von ihm zum Vorspiel aufgefordert zu werden – der Pianist zeigte ihr lieber bei mörderischem Tempo in seinem Ferrari die norditalienische Landschaft. Um die geringe Anzahl an Stunden im Nachhinein zu rechtfertigen, sagte Michelangeli später, er habe versucht, Martha Argerich die »Musik der Stille« nahezubringen.
    Seine pädagogischen Phasen erlaubten der Klaviersphinx, auch anderen Leidenschaften zu frönen, dem Fliegen, Skifahren, Bergsteigen oder Rennfahren. Diesen Hobbys war Michelangeli allen gleichermaßen verfallen. Er besaß ein Exemplar des berühmten Modells 250 TG Pininfarina, von dem der Autohersteller mit dem schwarzen Pferd auf gelbem Fond im Logo nur ganze 351 Stück produziert hatte. Enzo Ferrari hatte ihm seinen Wagen höchstpersönlich übergeben. Die Legende besagt, er habe sogar bei dem berühmten Autorennen »Mille Miglia« in Monza teilgenommen, was seine Witwe Giuliana jedoch lachend verneint: »Mein Mann liebte es, Geschichten zu erzählen. Er hat nie an irgendeinem Autorennen dieser Art teilgenommen.« Autorennen hin oder her: Keine einzige Versicherung hatte das Risiko auf sich nehmen wollen, seine wertvollen Hände zu versichern. Eine peinliche Sache war dem Pianisten Carlo Zecchi passiert, damals Michelangelis größter Konkurrent in Italien. Vollkommen überschuldet hatte Zecchi einen Autounfall simuliert, um von seiner Versicherung eine Prämie kassieren zu können, die er so bald wie möglich wieder zu ersetzen plante. Danach gab er das Klavierspiel weitgehend zugunsten

Weitere Kostenlose Bücher