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Martha Argerich

Martha Argerich

Titel: Martha Argerich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bellamy
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weil er sich nicht für eine der beiden entscheiden konnte. Daraufhin interpretierte Jacqueline dasselbe Thema in einer dritten Variante – laut Daniel auf eine sehr viel überzeugendere Weise, weil sie origineller und authentischer war.
    Der Dirigent Barenboim verpflichtete die Cellistin du Pré häufig, unter seiner Leitung aufzutreten. Sie beschwerte sich bei Martha darüber, die das gleiche Problem mit Charles Dutoit hatte.
    1971, in New York, veränderte sich das Spiel von Jacqueline du Pré plötzlich, ihre Finger verloren an Empfindsamkeit. Sie hatte Angst, an einer nervösen Depression erkrankt zu sein. Als man Multiple Sklerose bei ihr diagnostizierte, war sie fast erleichtert … Sie gab Martha Hassbriefe zu lesen, die sie erhalten hatte: »Das geschieht Dir recht! Gott bestraft Dich!« Offenbar konnte manche Leute ihr den Übertritt zum Judentum nicht verzeihen. Wie ein Vogel, dem man die Flügel amputiert hatte, schaute Jacqueline zu, wie sie immer weniger wurde, ohne ein Wort der Klage, mit einer wahrhaft heroischen Haltung. Sie gab Meisterkurse und hielt mit ihrer melodiösen Stimme öffentliche Lyriklesungen ab.
    Das Match Argerich - Kovacevich ging nach einer bewegten Ehe mit Charles Dutoit in die zweite Runde. 1974 kam die frisch Geschiedene mit ihren Koffern und ihrer Tochter Annie Dutoit, die damals gerade vier Jahre alt war, zurück nach London. Sie war von einer wilden, ins Auge springenden Schönheit. Ihre Vitalität schien unerschöpflich. »Sie war absolut repräsentativ für die damalige Zeit«, erinnert sich ihre Freundin Dora Bakopoulos, »mit ihrem Furor und ihrer grenzenlosen Energie.«
    Das Zusammenleben mit Stephen funktionierte sehr gut. Er respektierte ihr Chaos, ihre durchwachten Nächte, ihre ständigen Gäste. Daniel Barenboim, Jacqueline du Pré, James Galway, Fou Ts’ong zählten damals zu ihren engsten Freunden. Stephen war sehr diszipliniert: Jeden Morgen nahm er bei Tagesanbruch ein stets gleichbleibendes Frühstück ein, übte anschließend fünf Stunden Klavier, aß jeden Mittag beim selben Inder seinen Lunch, spielte Tennis am Nachmittag. Seine Tage liefen innerhalb eines äußerst strengen Rahmens ab; alles, was mit Fantasie zu tun hatte, war nur in der Ausübung seiner Kunst und in sei-
nen Beziehungen gestattet. Martha hingegen arbeitete zwischen
zwei Uhr nachmittags und sechs Uhr morgens, wobei sie sich ständig unterbrach, um zu telefonieren, zu lesen, Radio zu hören oder nachzuschauen, wer da gerade wieder an der Tür klingelte.
    Stephen Kovacevich gibt gern die Geschichte zum Besten, wie eines Tages, während er Brahms’ Klavierkonzert Nr. 2 einstudierte, plötzlich ein lautes Schnarchen seine Klänge übertönte. Martha lag auf dem Sofa und bezeugte nun auch im Tiefschlaf, wie wenig sie diesen Komponisten und sein Werk schätzte …
    Getrennt von ihrem Vater Charles Dutoit, fühlte sich die kleine Annie weit weniger wohl in der neuen Situation. Sie meinte, eine gewisse Feindseligkeit zu spüren, die von Stephen ausging, und merkte an seiner besitzergreifenden Art ihrer Mutter gegenüber, dass er eifersüchtig auf sie war. Ein paar Monate später erfuhr Martha, dass sich ein glückliches Ereignis ankündigte: Am 17. März 1975 kam in Bern ihre dritte Tochter zur Welt. Die Schweiz schien ihr der ideale Ort, um ihre Mutterschaft endlich voll auszuleben, ohne Konzerte, ohne Klavier – und ohne Mann. Was Letzteres betrifft, so reagierte sie wie ein wildes Tier: Der leiseste Geruch nach einem männlichen Wesen störte sie, als wäre es eine Bedrohung. Stephen verfolgte den Lauf der Dinge per Telefon. Sie ließen das Los entscheiden, wie die Frucht ihrer Liebe heißen sollte. Der Zufall bestimmte, dass Stephen dem Kind seinen Vornamen und Martha ihm ihren Nachnamen geben würde. Sie waren nicht verheiratet, Stephen hatte das Kind nicht offiziell anerkannt, alle Möglichkeiten waren offen. Ihre gemeinsame Tochter wurde also Stéphanie Argerich getauft. Dreißig Jahre später, kurz vor der Geburt ihres ersten eigenen Kindes, bat Stéphanie ihren Vater darum, sie endlich auch auf dem Papier als seine Tochter anzuerkennen.
    Martha zog mit ihren beiden Kindern für einige Zeit zu ihrer Freundin Diane, nach Mies bei Genf, doch das Verhältnis zu Stephen blieb bestehen. Sie hatte sich einen Mutterschaftsurlaub von über einem Jahr ausbedungen, um sich um ihr Baby kümmern zu können, den sie nur für einen Besuch in einem Münchner Aufnahmestudio unterbrach, wo sie zusammen

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