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Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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auftauchten und das graue Stadtbild aufmischten. Sogar eine CD hatte Karen damals gekauft und stundenlang beim Kochen lateinamerikanischer Gerichte angehört, für die sie nur die Hälfte der Zutaten in ihrem Supermarkt an der Ecke hatte auftreiben können. Das argentinische Steak schmeckte allerdings seltsam ledrig, die Bohnen waren zu scharf und zu hart, selbst der Reis klumpte und schien sich gegen sie verschworen zu haben, was wohl aber mehr an ihrem launischen Gasherd als am Rezept lag. Bernd aß trotzdem alles klaglos auf, doch das hatte nichts zu sagen. Kurze Zeit später gingen ihr die Flötenmusik und das ewig heitere Gesinge der Peruaner unsäglich auf die Nerven; sie verursachten ihr regelrecht Übelkeit. Dann fand sie heraus, dass sie schwanger war. Daran lag es wohl. Sie zogen ohne die CD in eine neue Wohnung in Köln, und die Peruaner zogen weiter in die nächste Stadt.
    Aber das hier, diese Dudelsackmusik, die hatte was, das ließ sich nicht leugnen. Am liebsten hätte Karen dem Mann das Instrument aus der Hand gerissen, um sich selbst einmal daran zu versuchen.
    »Voll abartig.« Mark war neben ihr aufgetaucht. Er kaute.
    »Das berührt dich also gar nicht?« Karen konnte es nicht fassen.
    Mark zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Klingt irgendwie total schräg. Wie quietschende Türen.«
    »Das ist ein altes Kriegsinstrument, wusstest du das?«
    »Echt?« Mark grinste und schob eine Pommes, die ihm aus dem Mund zu fallen drohte, wieder hinein. »Haben die mit dem Gequäke ihre Feinde in die Flucht geschlagen, oder was?« Er stopfte noch eine Pommes hinterher. »Lecker. Aber der karierte Rock ist cool. Tommys Bruder spielt in ’ner Band. Der Sänger ist Punk, der hat auch manchmal so ein Ding an.«
    »Oh, er spielt ›Amazing Grace‹.« Martha trat hinzu und brachte einen Schwall von Lavendelgeruch mit. »Mein Lieblingslied.« Sie fing an zu summen.
    »Aber du singst jetzt hier nicht laut mit, Tante Martha, oder?« Mark trat erschrocken ein Stück zur Seite.
    Martha sah leicht beleidigt aus. »Und wenn’s so wäre? Meine Stimme ist noch gut erhalten, mein Lieber.«
    Karen war ihrem Sohn insgeheim dankbar dafür, dass er ein Solo aus Marthas brüchiger Kehle verhindern wollte, fühlte sich aber bemüßigt, ihn wenigstens der Form halber zu tadeln. »Tante Martha kann singen, wo sie will.« Dann lenkte sie schnell ab. »Was hat der Mann eigentlich in seinem Fellbeutelchen?«
    »Ohrenschützer?« Mark kicherte leise.
    »Das ist ein Sporran«, wies Martha ihn zurecht. »Ein Geldbeutel. Der Kilt hat schließlich keine Taschen.«
    »Ach«, sagte Karen. »Was du alles weißt.«
    »Du klingst so überrascht, Karen. Hast du geglaubt, ich mache den ganzen Tag lang nur Sudokus?«
    »Ich habe gar nichts geglaubt«, wehrte sich Karen.
    Martha lächelte. »Du sagst es. Du glaubst gar nichts. Du glaubst ja auch nicht an Nessie und an mein Vermögen sowieso nicht, stimmt’s?«
    »Wir … wir glauben dir doch, natürlich glauben wir dir.« Warum zum Teufel würden wir uns das hier sonst antun? Karen heftete ihren Blick auf den Dudelsackspieler, der jetzt erst richtig in Fahrt kam.
    »Mama, ich will gern eine Kuh kaufen!« Teresa kam aufgeregt vom Souvenirstand herübergelaufen, Bernd im Schlepptau, der heftig den Kopf schüttelte.
    »Die Kuh ist so süß, Mama, bitte.« Teresa war ganz außer Atem. Sie zog sie am Ärmel. »Papa lässt mich nicht.«
    »Nun, für eine Kuh haben wir wohl kaum noch Platz«, versuchte Karen zu scherzen. »In unserem Auto steht schließlich schon eine sehr schöne, große Meerjungfrau.«
    »Die Kuh ist ganz klein.« Teresa gab nicht auf. Dann fiel ihr Blick auf den Dudelsackspieler. »Guck mal, Tante Martha, der hat den gleichen Rock an wie du.«
    »Kluges Mädchen.« Martha sah zufrieden aus. Sie griff in ihre Tasche und holte ihr Portemonnaie heraus. »Hier.« Sie reichte Teresa einen Geldschein. »Kauf dir deine Kuh.«
    »Aber, Martha, es geht doch nicht ums Geld.« Karen warf Bernd einen entnervten Blick zu. »Es ist ja nicht so, dass wir uns die Kuh nicht leisten könnten. Teresa kann nur nicht alles haben.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil sie das lernen muss. Im Leben kann man auch nicht alles haben.«
    »Na, das ist ja eine herrliche Aussicht für ein kleines Mädchen. Mit sechs Jahren schon eingebläut zu bekommen, die Erwartungen nur nicht zu hoch zu schrauben.« Martha schüttelte traurig den Kopf. »Dann muss ich dir halt ein andermal was schenken, Teresa.«
    Karen biss

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