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Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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Nachbarn waren da zu sehen oder zu hören, nur unten am Pool zog ein braungebrannter Mann seine Bahnen. Ein Mann, von dem man nur den Rücken sah. Karen hatte sich noch nicht ganz entschieden, ob es sich bei ihm um Mike oder einen drastisch entschlackten Bernd handelte.
    »Meint ihr, Dwayne ruft all seine Truckerfreunde über Funk, wenn er merkt, dass wir abgehauen sind?«, fragte Mark auf einmal.
    »Was?« Eine heiße Welle überrollte Karen. Natürlich, Mark hatte völlig recht. Trucker hatten Funk. Gab es da nicht mal so ein Lied von einem Teddybären in einem Truck? Oder einem Trucker namens Teddybär? Oder einem Kind, das einen Teddybären namens Trucker über Funk suchte? Und alle anderen Trucker hörten weinend mit? Bei der Jagd nach Martha würden sie wohl keine Tränen vergießen. Verdammt!
    »Glaub ich kaum«, gelang es ihr schließlich zu sagen. »Oder, Bernd?«
    »Woher soll ich das denn wissen?«, schnauzte er sie an. Er sah nervös in den Rückspiegel.
    Okay, das war’s. Auf jeden Fall schwamm Mike durch den Pool.
    »Dwayne hatte keinen Funk«, sagte Martha von hinten.
    »Woher willst du das wissen?« Karen merkte selbst, wie gereizt sie klang.
    Aber Martha war nicht so schnell beleidigt. »Weil ich’s sonst gesehen hätte, darum«, erwiderte sie.
    »Woher kannst du eigentlich so gut Poker spielen, Tante Martha?«, fragte Mark interessiert. Karen hatte ihren Sohn um diese Tageszeit noch nie so munter erlebt. Normalerweise kommunizierte er bis zum Mittagessen nur über Handsignale mit seinen Eltern. Auf Ferienreisen und Ausflügen lief er grundsätzlich stumm mehrere Meter hinter seiner Familie her wie eine arabische Ehefrau und sah stur an seinen Eltern vorbei, wenn sie in der Öffentlichkeit mit ihm sprachen. Jetzt saß er regelrecht aufgekratzt neben der Meerjungfrau in der letzten Reihe und schob seinen Lockenkopf zwischen den Kopfstützen von Marthas und Teresas Sitzen hindurch.
    »Von früher«, antwortete Martha.
    »Echt? Hast du damit viel Geld verdient?«
    Martha lachte leise. »Ach, das ist so lange her. Ich bin doch schon alt.«
    »Gar nicht«, sagte Teresa. Sie griff nach Tante Marthas Hand und drückte sie. »Du bist nicht alt.«
    »Na ja, ganz taufrisch bin ich aber auch nicht mehr.«
    Daraufhin herrschte Schweigen. Karen machte die Augen zu und versuchte, ihren Tagtraum wieder heraufzubeschwören, aber sie konnte sich nicht mehr konzentrieren, und statt Mike schob sich immer wieder die massige Figur von Dwayne ins Bild, der in rotweißer Badehose um den Pool herumrannte und dauernd » Fuck! « schrie.
    Sie seufzte und gab es auf. Bernd fuhr auf die M 1 , die sie nach Norden bringen würde. Eigentlich hatten sie ja noch Cambridge eingeplant, aber da sie nun schon einen Tag verloren hatten, waren sie stillschweigend übereingekommen, gleich nach Schottland durchzufahren. Das hatte nichts mit Tante Marthas Drängen zu tun, ganz und gar nicht. Nein, Karen wollte jetzt selbst so schnell wie möglich dorthin. Schottland – das war das befreiende, kühle Ziel, an dem sich alles fügen würde, an dem sie die Meerjungfrau ihrer mysteriösen Bestimmung zuführen und Martha auf Rob Roys Grab ein paar Blumen niederlegen lassen würden, aus welchen Gründen auch immer. Zwischen rauen Bergen, die ihnen Schutz vor Dwaynes Funkgerät bieten würden, falls er doch eines besäße.
    Der Verkehr wurde nun dichter. Karen betrachtete all die linksgesteuerten Autos unbekannter Automarken mit ihren gelben Kennzeichen und die Autobahnraststätten mit ihren fremden Logos. Später würden sie an so einer Welcome Break anhalten und was essen. Viel später, hatte Bernd erklärt. Wenn sie so weit wie möglich nach Norden vorgedrungen wären. Vorher würde er nur für Notfälle wie Pinkelpausen anhalten. Also mit Martha und Teresa im Auto schätzungsweise jede halbe Stunde, dachte Karen. Und bald würde er es sowieso nicht mehr aushalten, das wusste sie jetzt schon. Dann würde er anhalten, um irgendwo ein kräftiges englisches Frühstück zu sich zu nehmen, so richtig mit glasigem Speck und dicken Bohnen. Und sie würde ihn dazu ermuntern, einfach nur, damit er endlich aufhörte, davon zu reden. Was an den weißen Bohnen in Tomatensauce so herrlich sein sollte, hatte Karen nie begriffen. Und schon gar nicht zum Frühstück, wenn man noch gar nicht richtig wach war. Dem Magen dann so eine Vergewaltigung mit kieselsteingroßen Bohnen und triefendem Speck zu verpassen war in ihren Augen eine Zumutung. Allerdings waren

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