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Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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sich auf die Lippe. Jetzt fühlte sie sich gleich wieder schlecht. Die Nörgelmutter, die Spaßverderberin. Und außerdem fiel ihr ein, dass sie Tante Marthas letztes Geschenk für Teresa ebenfalls abgeschmettert hatte. Ein Plüschtier. Teresa hatte doch schon so viele. Karen erinnerte sich sogar daran, wie sie Mein Gott, Martha, spar lieber dein Geld , gedacht hatte. Spar dein Geld für uns . Jetzt schämte sie sich allein bei der Erinnerung daran.
    »Was willst du denn mit einer Kuh?«, fragte Mark. »Und was für eine Kuh ist das überhaupt?«
    »Ein schottisches Hochlandrind. Aus Plüsch, in Klein.« In Bernds Antwort lag alle Verachtung dieser Welt für nutzlose und teure Miniaturkühe.
    »Ach, was soll’s«, sagte Karen mit einem Mal, warum, wusste sie selbst nicht. Wahrscheinlich war es diese uralte Musik, diese tragischen, vibrierenden Töne, die ihr die eigene Vergänglichkeit vor Augen führten – in hundert Jahren gab es weder sie noch Martha noch Bernd noch ihre Kinder und wahrscheinlich auch keine Plüschkühe mehr, denn die kamen allesamt aus China, und das gab es wahrscheinlich in hundert Jahren auch nicht mehr, zumindest nicht in der jetzigen Form. Aber diese Musik, die würde alles überdauern.
    Bernd rollte mit den Augen, sagte aber nichts.
    Martha hingegen lächelte und sah sie einen Moment lang erleichtert an, als habe Karen gerade irgendeine geheime Prüfung bestanden.
    Karen griff nach der kleinen Hand ihrer Tochter und schlenderte zurück zum Souvenirstand. Eigentlich brauchte ja wirklich keiner mehr etwas. Was sollte der Mensch mit all den T-Shirts und Stiften, den Fernrohren und Schottenkäppis, den Informationsbroschüren über seltene Tiere und den Radiergummis in Form von Dudelsäcken? Den Unmengen von Kuscheltieren und Sparbüchsen, den karierten Einkaufstaschen aus Wolle und den Schafsfellen, die einen käsigen Geruch verströmen? Nutzloses Zeug. Aber glücklich machendes Zeug, das irgendwann die einzige Erinnerung an vergangene Familienurlaube sein würde.
    »Eine Kuh, bitte«, sagte Karen, blätterte einen Betrag hin, für den sie gut und gern bereits einen Viertel Stiefel bekommen hätte – es war ja Marthas Geld –, und zog mit ihrer glücklichen Tochter wieder ab.
    Zurück bei ihrer Familie, klopfte sie Bernd sacht auf den Rücken. »Nun sei mal nicht so. Wir haben Urlaub.« Marthas Worte kamen ihr plötzlich in den Sinn, und sie schmiegte sich leicht an ihn.
    Bernd schien überrascht und erfreut zugleich zu sein. Er legte den Arm um ihre Schulter und klopfte mit den Fingern im Takt der Dudelsackmelodie auf ihren Rücken. Dann fing er an, mit ihren Haaren zu spielen.
    Karen zuckte wie elektrisiert zusammen. »Ist was mit meinen Haaren?«
    »Nein, nein, gar nicht.«
    Karen musterte ihn misstrauisch. »Ich weiß, dass das Rot bescheuert aussieht.«
    Bernd grinste erleichtert. »Die rote Zora und ihre Bande, was? Man gewöhnt sich dran. Du siehst heute trotzdem gut aus, das ist alles.«
    Karen grinste zurück. »Nur heute?«
    »Immer.«
    Ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus. Sie standen nebeneinander und lauschten friedlich den letzten schnaufenden Klängen des offenbar zu Tode erschöpften Instruments.
    Teresa hielt das Hochlandrind in die Luft, damit es einen besseren Blick auf den Dudelsackspieler hatte. Dieser war jetzt verstummt und unterhielt sich mit Martha. Mit Martha? Karen wurde wieder nervös – Martha hielt ihr Portemonnaie in der Hand und hatte immerhin erst gestern über 1000  Pfund erbeutet. Also wenn sie jetzt vorhatte, auch noch diesen Dudelsack zu kaufen, dann musste Karen einschreiten. Das ging zu weit.
    »Darf ich mal? Excuse me! « Karen schob sich durch die Menge.
    »Karen!« Martha winkte fröhlich. »Das hier ist James. Auch vom Clan der MacGregors.«
    » Hello «, stammelte Karen. Der schottische James nickte freundlich und sagte etwas, das sie nicht verstand. Auch vom Clan der MacGregors? »Auch?« Sie sah ihn fragend an.
    Martha nickte. »Wie Rob Roy. Und«, sie deutete von den Schottenkaros auf ihrem Rock zu den identischen auf James’ Kilt, »wie ich.«
    »Wie du?«, wiederholte Karen mit einer Stimme, die klang, als habe sie gerade einen ganzen Kanister Helium eingeatmet. »Wie du.« Sie lächelte, bis ihr Mund schmerzte. Immer ruhig bleiben. Sie hatte doch schon ganz andere Dinge gemeistert. »Vom Clan der MacGregors. Aber gewiss doch. Natürlich.«
    Wenig später erreichten sie Jedburgh, den ersten Ort auf schottischer Seite. Die kleine

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