Martha im Gepaeck
schlug Mark vor.
»Ein Deutscher? Da verwechselst du was, Martha.«
»Nein, ich verwechsele nichts. Ich glaube, es waren sogar zwei Deutsche. Es sollte auch mal schottische Nationalhymne werden.«
»Im Ernst?« Karen schmunzelte nachsichtig. Das Lied verstummte, und ein geschmeidiger Moderator meldete sich zu Wort: »… ›Highland Cathedral‹. Never gets old, beautiful song. Not many people know it was written by a German composer with the name of …« Karen schaltete das Radio aus.
»Du hättest ihn ja wenigstens noch den Namen sagen lassen können.« Martha gluckste.
»Echt mal«, sagte Mark. »Das war jetzt gemein.«
»Ruhe jetzt«, sagte Bernd am Steuer. »Muss aufpassen.« Vorhin hatten sie bereits eine Abfahrt verpasst und waren eine Weile auf einer gewissen Comiston Road entlanggefahren, die dann alle fünf Minuten ihren Namen änderte. Gerade fuhren sie in Richtung Princes Street, vorbei an vierstöckigen Häusern, deren grelles Blau, Rot, Grün oder Gelb der Erdgeschosse auf die darin befindlichen Geschäfte aufmerksam machen sollte.
»Schick«, bemerkte Karen. Aber so richtig war sie nicht bei der Sache. Wieso hatte Martha immer recht? Das war doch eigenartig. Denn wenn sie mit ihren Bemerkungen dauernd recht hatte, dann hieße das ja, dass Martha und dieser MacGregorClan etwas miteinander zu tun hatten, dass Nessie … Nein, das war lächerlich. Absurd.
»Richtung Princes Street müssen wir«, riss Bernd sie aus ihren Gedanken. Er duckte sich dabei, um die Straßenschilder besser lesen zu können. »Dann sind wir richtig.«
Offenbar waren sie genau in den Berufsverkehr geraten, denn mittlerweile ging gar nichts mehr. Sie saßen im Verkehrschaos fest, während um sie herum die Leute aus den Büros strömten und sich an diesem lauen Sommerabend in die Kneipenmeile und die Cafés stürzten. Der Van hatte direkt vor einem Pub namens Gordon Arms angehalten, vor dem eine Gruppe rotgesichtiger Männer gerade ihre Hemdkragen lockerte und das erste kühle Ale des Tages die Kehlen hinab gluckern ließ. Karen betrachtete sie voller Neid. Langsam hatte sie echt genug vom Autofahren. »Wie heißt das Hotel noch mal?«
» Macdonald Holyrood. «
»McDonald? Wir wohnen bei McDonald’s?«, fragte Teresa.
»Nein, natürlich nicht.« Bernd rückte seine Sonnenbrille zurecht. »Es ist irgendwo beim Parlament. Holyrood Street.«
»Dann musst du nach rechts«, sagte Martha.
Karen öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, schloss ihn aber sogleich wieder. Vielleicht hatte Martha ja abermals recht? Wenn jetzt nicht, dann war auch alles andere Unsinn, was sie so von sich gab, entschied Karen. Ein Test. Wollten doch mal sehen. »Ach ja?«, fragte sie liebenswürdig. »Kannst du uns hinführen?«
»Karen, wir haben doch die Karte hier. Das werde ich ja wohl finden.« Offenbar hatte sie Bernds Pfadfinderehre gekränkt.
»Lass nur, lass nur. Martha wird uns schon den Weg weisen, nicht wahr?« Leider konnte Bernd durch ihre dunklen Sonnenbrillengläser nicht erkennen, dass sie ihm zuzwinkerte. Schützend legte er die Hand auf den Stadtplan. »Werde ich finden«, sagte er erneut, diesmal aus dem offenen Fenster heraus zu einer jungen Schottin im Sommerkleid, die gerade im Begriff war, die Straße zu überqueren. Die Frau nickte verwirrt.
»Jetzt bergauf, die Castle Terrace entlang«, verkündete Martha, als sich der Verkehr zähflüssig wieder in Bewegung setzte. »Da sehen wir auch links die Burg.« Und tatsächlich erblickten sie jetzt linker Hand das Edinburgh Castle, das wie eine mächtige Trutzburg aus dem Vulkangestein in den Himmel wuchs.
Nach ein paar Minuten stießen sie auf die Royal Mile, wo sich ihnen ein Sammelsurium aus hohen alten Häusern, Geschäften, Museen und Kneipen darbot. Fußgänger hasteten hierhin und dorthin, ohne sich im Geringsten um die Verkehrsregeln zu kümmern. Bernd fuhr stur nach Marthas Anweisungen, mal nach links, mal nach rechts, während Karen alles mit Argusaugen verfolgte, obwohl sie doch selbst keine Ahnung hatte, ob sie hier nun richtig waren oder nicht. Ein hohes sandsteinfarbenes Gebäude erschien jetzt auf der linken Seite.
»Wir sind da«, erklärte Martha.
Bernd hielt quietschend an. Karen schob ihren Kopf aus dem Fenster. Macdonald Holyrood stand an dem hellen Bau, an den sie sich jetzt schlagartig erinnerte. Genauso hatte das Foto bei der Buchung im Internet ausgesehen, Bernd hatte es ihr im Vorfeld der Reise mindestens vierzigmal gezeigt.
»Na, so was«, sagte
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