Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
Vom Netzwerk:
Unreinheiten entfernt. Links von ihnen erstreckten sich Berge, die in der späten Nachmittagssonne fast violett schimmerten. Sie atmete tief durch. Das war alles so was von schön.
    »Das ist alles so was von beschissen. Und hier sollen wir zwei Wochen bleiben?« Mark sah sich entsetzt in dem zugegebenermaßen etwas tristen Hotelzimmer des Pack Horse Hotel in Glenlochlin um. »Hier gibt’s ja nicht mal einen Fernseher.«
    »Wir brauchen keinen Fernseher. Wir werden uns kaum hier drin aufhalten.« Karen musterte die grün geblümte Tapete, die eine schrille Verbindung mit dem rosa geblümten Teppich und den rosagrün gestreiften Vorhängen einging. Wenn sie noch eine Minute länger daraufblickte, war ein Migräneanfall unabwendbar. Doch dann würde sie erst recht in dem Zimmer bleiben, sich auf das klamme Bett legen und die Häkeldecke über sich ausbreiten müssen. Ein schwacher Geruch nach kaltem Rauch und Desinfektionsmitteln hing in der Luft.
    »Warum haben wir keinen Wohnwagen? Die kann man auch ausleihen, das haben Tommys Eltern mal gemacht. Die Dinger sind spitze, da ist alles drin – Kühlschrank, Fernseher, Dusche. Tommy konnte sogar seine X box mitnehmen! Ich wünschte, wir hätten einen Wohnwagen.« Mark gab dem Bett verärgert einen Tritt. Es quietschte unheilvoll.
    »Und ich wünschte, ich wäre Bill Gates«, erwiderte Karen ungerührt. »Das Leben ist schon manchmal ungerecht, aber nichtsdestotrotz werden wir hierbleiben. Wir sind wegen der Natur hier, nicht um X box zu spielen.«
    »Ich habe ja nicht mal eine«, murrte Mark.
    Karen legte den Kopf in den Nacken und blickte zur Decke hoch. Ein fußballgroßer dunkler Fleck lauerte dort in der rechten Ecke wie ein böser Kobold. »Wenn du möchtest, darfst du mit zur Whiskyverkostung«, lockte sie. »Du bist ja nicht mehr klein. Tante Martha passt auf Teresa auf. Sie hat Kopfschmerzen und will nicht mit.« Karen hätte schwören können, dass Martha keine Kopfschmerzen hatte, obwohl sie etwas angeschlagen wirkte. So unruhig. Es erschien Karen vielmehr so, als ob Martha nicht mehr nach draußen gehen wollte, seit sie in Glenlochlin angekommen waren. Hatte sie Angst, gesehen zu werden? Bloß – von wem? Einer Herde Schafe, die sich blökend über die Straße schleppte?
    »Ich darf ja nicht mal mitkosten.« Mark drückte missmutig auf seinem Handy herum. »Was soll ich dann in der Whiskybude herumsitzen und zugucken, wie ihr euch die Kante gebt? Ihr werdet bestimmt wieder nur so peinlich.«
    »Dann bleibst du eben hier.« So langsam riss Karen der Geduldsfaden. Sie hatte auch Rechte. Zum Beispiel das Recht auf einen kinderfreien Abend, ohne Ausmalheft und Buntstifte in der Handtasche und ohne ein mürrisches Teenagergesicht vor der Nase.
    Bernd kam herein. »Können wir? Martha hat gesagt, wir sollen zur Glenlochlin Destillerie gleich hier im Ort gehen. Das ist eine der ältesten. Zwar klein, aber fein. Sie meinte, dort gäbe es den besten Whisky in ganz Schottland.«
    Karen machte sich nicht die Mühe zu fragen, woher Martha das wohl wieder wusste. Stillschweigend hatten sie und Bernd akzeptiert, dass Martha von gewissen Dingen einfach Ahnung hatte. Wer eine nicht unbeträchtliche Zeit seines Lebens als Zauberassistentin durch das Land getingelt war, der schnappte eben eine Menge auf. Und wer ohne mit der Wimper zu zucken unter einer Kreissäge Platz nahm, der schluckte auch härtere Sachen als Eierlikör.
    »Ich wollte ja erst zur Aberlour Destillerie , aber Martha meinte, bei der anderen gibt es mehr zu kosten.« Bernd überprüfte die Batterie in seiner Videokamera. »Und sie sieht auch interessanter aus. Nicht so ein Industrie-Ding, mehr so traditionell. Da kann ich dich filmen, wie du in deinem schicken Kleid zwischen den Whiskyfässern herumspazierst.« Er zwinkerte Karen zu. »Junge, schöne Frau und alte Whiskyfässer, das gibt doch einen guten Kontrast.«
    Mark rollte mit den Augen. »Na, dann viel Spaß.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Stimme klang zu Tode gelangweilt. »Ich zähle inzwischen die Blumen auf der Tapete.«
    Karen wollte etwas entgegnen, kam aber nicht mehr dazu. Ihr Handy klingelte. Als sie auf das Display schaute, kribbelte es warm in ihrem Bauch. Mike! Endlich rief er sie an.
    »Moment«, sagte sie zu Bernd und ging ran. »Ja, hallo?«
    Bernd zog fragend die Augenbrauen hoch.
    »Arbeit«, formte sie mit den Lippen, dann glitt sie rasch in den Korridor hinaus, um dort, in der staubflusigen Stille der oberen

Weitere Kostenlose Bücher