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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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sich vollziehen.
    »Sie sprechen von meiner Arbeitskraft, verehrte Baronin. Nun ja, ich habe Arbeitskraft und Schaffensdrang und wie sehne ich mich danach, beides unmittelbar zur Geltung zu bringen. Geredet und geschrieben haben schon viele; wurden sie aber dann vor das »Tun« gestellt, so versagten sie; sie schlossen elende Kompromisse mit der seichten Unabänderlichkeit und anderen Elendsbegriffen ab. Die Ehrlichkeit, die Übereinstimmung, das In-Übereinstimmung-bringen von Lehre und Leben, darum handelt es sich für mich. Und darin weiche ich nicht um eine Nagelbreite von meiner Erkenntnis zurück.«
    Wahrlich, ich kenne keinen Menschen, auf den besser als auf Egidy die Worte paßten:
Von Halbheit halte den Pfad rein,
Der ganze Mann setzt ganze Tat ein
Und wahre Ehre muß ohne Naht sein.
     
(Ernst Ziel.)
     
    Daß solche Menschen leben, wie Moritz von Egidy, und in die Welt hinaustreten, ihre Lehren zu verkünden, das ist doch ein großer Trost. Selbst wenn man an die Macht der Heroen nicht glaubt, wenn man meint, daß die Kulturentwicklung sich unabhängig vom Einfluß einzelner vollzieht, so kann man diese einzelnen – wenn nicht als Bildner, so doch als Symptome der Kulturwandlung betrachten. Von der langsamen, aber stetigen Entfaltung der Anti-Kriegsbewegung – dieser mein Lieblingsaspekt jener Wandlung – gibt mir mein »Protokoll« fortgesetzt Kunde. Bei der letzten Konferenz – in Bern – der interparlamentarischen Union sprach Bundespräsident Schenk die Worte: »Es freut mich, so viele Volksvertreter zu sehen, die für Friedensjustiz und Abrüstung ihre Stimme erheben; noch mehr würde es mich freuen, wenn offizielle Vertreter der Regierungen zu einer Konferenz über denselben Gegenstand zusammenträten. Und eine solche Konferenz wird kommen.«
    Ob sich diese Wahrsagung erfüllen wird? Die Idee von einer Umkehr in dem allgemeinen Rüstungswettlauf ist schon in die Kabinette gedrungen, das weiß ich. Lord Salisbury hat vor kurzem ein vertrauliches Dokument vorbereitet, in welchem die jährlichen Kosten des Militärs in Europa detailliert aufgestellt waren. Da zeigte es sich z. B., daß in den Jahren 1882 bis 1886 die Staaten Frankreich, Deutschland, Österreich-Ungarn, Großbritannien, Spanien und Italien zusammen eine Summe von 974 715 802 £ einzig für Heereszwecke verausgabt hatten. Das Memorandum war anfänglich ausschließlich für das englische Ministerium bestimmt, aber Lord Salisbury teilte es dem Deutschen Kaiser mit, der so frappiert davon war, daß er privatim seine Absicht kundtat, eine europäische Konferenz einzuberufen zwecks Erwägung praktischer Maßnahmen, den allgemeinen Frieden zu sichern. Daraufhin erhielt die halboffizielle Presse den Befehl, die Frage aufzuwerfen – das Jahr 1890, ich erinnere mich, brachte eine förmliche publizistische Kampagne über diesen Gegenstand. Das Projekt wurde in Frankreich schlecht aufgenommen, wo man sich auf Elsaß-Lothringen als auf ein jeden Abrüstungsgedanken ausschließendes Hindernis berief. Der Deutsche Kaiser ließ hierauf die Idee fallen. Solche Ideen pflegen aber nach einer Zeit wieder aufgenommen zu werden, wenn nicht an derselben Stelle, so an einer anderen. Ideen sind – Kraft, daher ebenso keimfähig und unvertilgbar wie Stoff.

XXIX.
    Als Rudolf an jenem Nachmittag das Raneggsche Haus verließ, verfolgte ihn Cajetanes Bild und Stimme. Ihre Worte klangen ihm nach, und was er heraushörte, erweckte einen Verdacht in ihm: sollte sie etwa die anonyme Briefschreiberin sein?
    Nun, ein Grund mehr, dieses Haus fortan zu meiden ... Noch einmal an diese Kreise durch neue Bande sich fesseln zu lassen, sich abermals mit Leuten von so verschiedenen Lebensinteressen und Lebensauffassungen verschwägern? – nein, das wollte er nicht. Cajetane war ein liebes Ding und, wie es schien, etwas verbrannt in ihn, daher auch das momentane Bewundern seiner Taten und Schriften; wie bald aber würde, wenn die erste Schwärmerei abgekühlt, wieder das alte Naturell zum Vorschein kommen, und wie würde sie dann versuchen, geradeso wie es Beatrix getan, ihn von seinen »Extravaganzen« abzubringen und in den Schutz des alleinseligmachenden Aristokratismus zurückzuführen.
    Und er selber: der Kampf, den er aufgenommen, füllte seine Seele vollständig aus. Füllte sie mit Sorgen, Ärger, Sehnsucht, Hoffen, – kurz, mit einer großen Leidenschaft. Daneben war nicht Platz für Herzens- oder gar Heiratsangelegenheiten. Höchstens – er war ja doch ein

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