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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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schuld daran? Ja – ich habe zum Kampfe aufgestachelt. Zu der Aufgabe, Friedrichs Mission fortzuführen, habe ich meinen Sohn aufgezogen. Er hat aber den Kampf auf ein Feld hinausgetragen – ein so großes und fernes – wo ich ihm nicht mehr folgen kann.
    Und ebenso Sylvia. Ihr trotziges Auflehnen gegen die Urteile der Welt – wodurch sie zur künftigen Befreiung der Frauen mithelfen will: auch dahin vermag ich ihr nicht zu folgen. Sie mag ja recht haben ... Von Rudolf hätte ich gewünscht, daß er, unter Beibehaltung seiner Stellung und Gründung eines neuen häuslichen Herdes, sich auf einen Zweig der Kulturarbeit beschränkt hätte: auf die Bekämpfung des Krieges – wie sie in meinem »Protokoll« von Abbé de Saint Pierre und Leibnitz und Kant und – Tilling bis zu Frédéric Passy und Egidy reicht. Da sich einreihen, zu den Kongressen die Kraft seiner Persönlichkeit mitbringen, das Propagandawerk durch seine pekuniären Mittel unterstützen, in hohen politischen und höchsten Machtkreisen, bei denen er doch kraft seiner – nunmehr aufgegebenen! – Stellung Zutritt hatte, Proselyten zu machen trachten: das war's was ich von ihm erhoffte. Aber er ist weit darüber hinweggeflogen – zu weit, beinah ins Uferlose. Freilich: alle Übel sind mit einander verschlungen und ein Geist vermag auch die ganze Verkettung zu übersehen; aber positiv helfen, wirken, vorwärts bringen, das kann jeder einzelne nur auf einzelnem Gebiet. So scheint es mir wenigstens.
    Verloren sind darum seine Arbeit und sein Streben nicht; zur allgemeinen Einsicht, wie der künftige Tempel gebaut sein soll, kann er beitragen und dadurch zur Inangriffnahme seiner Errichtung anfeuern, aber des Erfolges wird er sich nicht freuen können, der sich an das tatsächliche Einfügen eines kleinen Bausteins knüpft ...
    Doch zurück zu meiner armen Sylvia. Man mag noch so großen Anteil nehmen an den Gang der öffentlichen Ereignisse, an den Phasen – den auf- und niedersteigenden – der Kultur, das Nächstliegende: Freude und Sorge, Glück und Unglück im eigenen Hause – das drängt sich doch in den Vordergrund des Denkens und Handelns. Was soll ich nur tun, um da helfend einzugreifen? Mit Delnitzky reden? Mein letzter Auftritt mit ihm hat zwar eine Schranke zwischen uns aufgerichtet ... aber wenn ich doch ihn zu bewegen trachtete, Sylvia freizugeben? Ich wünschte beinah ebenso heftig wie sie selber, die Fesseln dieser unseligen Ehe gelöst zu sehen.
    Und mein anderer Wunsch wäre, daß Rudolf nicht so herzenseinsam bliebe ... ach, meine armen Kinder! Egidy hat auch Familienbande – hat eine Häuslichkeit, die ihn tief beglückt. Das hinderte ihn nicht, der Allgemeinheit eine Kraft zu weihen, die immer noch im Wachsen begriffen ist. Ich setze einiges von dem hierher, was er mir erst gestern schrieb. Briefe von solchen Menschen gehören ins Tagebuch, denn sie sind Erlebnisse:
    »– – An Umsturz braucht zunächst gar nicht gedacht zu werden – nur an den Einsturz, den Zusammenbruch einer veralteten Weltanschauung.
    Zum Umsturz – d. h. zum Drunter und Drüber, zu einem Schreckenszustand kann es nur kommen, wenn die Vertreter der bisherigen Ordnung in trauriger Verblendung, oder gar aus selbstischen Gründen, sich gegen den Zusammenbruch veralteter Vorstellungen auflehnen, sich gegen den Einsturz unhaltbarer Gestaltungen anstemmen. Daß sie den Zusammenbruch hindern können – daran ist ja natürlich nicht zu denken, so wenig sich jemand einbilden darf, daß er diesen Einsturz veranlaßt hat.
    Die Gemeinsamkeit ist ein lebender Organismus, dessen Schäden nur von innen heraus, nur durch ein neues, reines, warmes Herzblut geheilt werden können. Keine Empfindelei, kein Sich-verlieren in Betrachtungen, kein klingelndes Wortgetöse. Sich-entschließen-Wollen. Jeder in seiner Weise auch tun. Wir wollen praktische, wollen verwirklichungsvolle Tatidealisten sein.
    Nicht mit einem Male wird alles anders werden, sondern allmählich, natürlich; aber das Tempo entscheidet. Allmählich sagen alle, es kommt nur darauf an, ob langsamer Schritt – eins – nochmal zurück – eins – nochmal zurück – zwei ... (Sie kennen doch den Kasernenhof?) oder natürlicher, etwas flotter, meinetwegen auch mal bißchen Geschwindschritt – braucht ja nicht Sturmschritt mit tambours battants zu sein. Und es wird. Es muß werden. Der Durchbruch der neuen Weltanschauung wird – nicht ohne Weh und Ach – aber doch als ein natürlicher Vorgang, eine Geburt

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