Martha's Kinder
Urteil, daß Du da erst Scheidungsurkunden und dergleichen brauchst, daß Du erst, dem ganzen Kreis von Tanten und Sippen höfliche Anzeigen machen willst: Meine Verehrtesten, ich liebe Hugo Bresser und will die Seine werden.
Wen geht das etwas an? Das ist unsere Welt und eine so große, so freudenhelle, daß sie für uns das ganze übrige in Nichts und ins Dunkel verdrängt ... Du bist zu stolz, um zu lügen? Vor allem sollten wir zwei zu stolz sein, unser Glück der kalten Menge bloßzulegen ... ein Glück, das um so süßer wäre, je verschwiegener es bleibt. Nicht ängstlich verschwiegen, nur sorglos, als wäre die Mitwelt nicht da. Die Liebe hat solche Isolierungsgewalt. Sie umgibt das selige Paar mit einem undurchsichtigen Netz – aus Flammen gewoben. Das ist der echte Feuerzauber.
Ich bin von einem Hochmut! ... Mir ist, als trüge die Erde niemand, der mir ebenbürtig ist. Der König aller Könige bin ich, denn Du willst mein sein ... niemand ist würdig, mir die Schuhriemen zu lösen, aber vor Dir lieg' ich im Staube – Herrin.
Doch wieder nein: nicht Dein Knecht will ich sein, sondern Dein Schützer – Kind! Du weißt nicht, welche sanfte, schmelzende Zärtlichkeit ich Dir bereit halte; ruhen sollst Du an meinem Herzen, Dich in meine Arme schmiegen, im Bewußtsein voller Sicherheit und Geborgenseins. Du hast ja viel Trübes durchgemacht – Stunden der Bitterkeit, des Ekels, des Aufruhrs – Trost brauchst Du und Rast und Stille. Fürchte nicht, daß Dein Geliebter Dich in einen ewigen Wirbelsturm der Leidenschaft mit sich reißen will – ich will Dir Frieden geben. Minuten lodernder Extase – aber auch Stunden heiterer Vernünftigkeit. Oder auch Unvernünftigkeit; wir sind gescheit genug jedes für sich, um miteinander kindisch sein zu dürfen. Ja, fröhlich wollen wir sein – scherzen und lachen. Scherz ist der Page der Königin Freude – und diese ist die Gemahlin des Königs Glück.
Dann wollen wir auch – in anderen Stunden – ernst sein, dem Leben mit seinen Rätseln tief ins Auge schauen, wir wollen – –
Ich breche ab – Ungeduld erfaßt mich. Diesen Brief trage ich selbst in Dein Haus, um ihn Deinem Mädchen in die Hand zu geben, damit er Dir schnell und sicher zukomme. Und Du: hab' Erbarmen und hab' Mut.«
Zur selben Zeit war Sylvia gleichfalls mit Schreiben beschäftigt. Es war ein Brief an ihren Mann.
»Lieber Anton!
Es gibt Dinge, die sich leichter schriftlich als mündlich sagen lassen. Ich wünsche – und wahrscheinlich komme ich dabei Deinem eigenen Wunsch entgegen – eine Trennung unserer Ehe.
Du liebst seit mehreren Jahren eine schöne Künstlerin, die Dir einen Sohn geschenkt hat; Du verbringst mehr als die Hälfte Deiner Zeit in ihrem Hause – das Du ihr geschenkt hast; Du versuchst nicht einmal den Schein der Treue gegen mich zu wahren – kurz, Du hast tatsächlich unsere Ehe schon gelöst.
Ich war allein und dadurch – frei. Ich aber blieb allein und hielt meinen Part in dem von Dir gebrochenen Vertrage aufrecht. Jetzt aber muß es anders werden. Ich habe mein Herz verschenkt und will meine Freiheit vindizieren. Betrügen will ich nicht. Weder Dich noch die Welt. Ich bitte Dich also, übereinstimmend mit mir Schritte zu einer regelrechten Scheidung anzubahnen. Von meiner Liebe lasse ich unter keinen Umständen. Solltest Du in eine Scheidung nicht willigen, so würde ich einfach abreisen – und nicht allein. Ich besitze selbständiges Vermögen, das weißt Du, und kann wo immer unabhängig leben.
Die Hauptsache ist jetzt gesagt. Das Übrige kann, wenn Du einverstanden bist, mündlich verhandelt oder zwei Rechtsbeiständen zur Durchführung übergeben werden.
Nicht ganz ohne Wehmut scheide ich von Dir; denn ich erinnere mich der Zeit, da ich glaubte, wir beide würden mit- und durcheinander glücklich werden. Es ist anders gekommen. Du warst der erste, der sein Glück fern von unserem Herde gesucht und gefunden – die Reihe ist an mir. Nur möchte ich –«
Bis hierher hatte sie geschrieben, als die Jungfer eintrat und ihr Hugos Brief übergab.
Sylvia erkannte die teuere Schrift, aber sie zerriß nicht sofort den Umschlag. Erst wollte sie ihr eigenes Schreiben vollenden und an seine Bestimmung kommen lassen.
»Warte einen Augenblick,« sagte sie und mit vor Erregung zitternder Hand – der unerbrochene Brief wirkte auf sie wie eine geliebte Nähe – warf sie noch ein paar Schlußzeilen auf den begonnenen Briefbogen und schob ihn in ein Kuvert. »So, das
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