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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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kam.
    Erst ein zornig ausgestoßener Fluch schreckte sie auseinander. Hugo sprang auf – ihm gegenüber stand Anton Delnitzky.
    Mit dem Ausruf: »Elender, frecher Schuft!« stürzte dieser nun auf Hugo los und versetzte diesem einen Schlag ins Gesicht.
    Sylvia stieß einen Schrei aus und sank zu Boden – besinnungslos.

XXXI.
    Während im Delnitzkyschen Hause dieses Drama sich abspielte, war Rudolf im Begriff, Wien zu verlassen, um einige seiner im Ausland abzuhaltenden Vorträge zu absolvieren.
    Zwar hätte es nicht gedrängt; bis zum ersten versprochenen Vortrag dauerte es noch vierzehn Tage, aber der Vorfall im Vorstadtwirtshaus hatte ihm einen solchen Ekel eingeflößt, daß er das sehnsüchtige Verlangen empfand, so schnell als möglich eine andere Luft zu atmen und mit ganz neuen Eindrücken den so peinlichen Eindruck zu verwischen.
    Er hatte solche Eile, daß er nicht einmal von Mutter und Schwester sich verabschieden wollte. Nur über eins wollte er sich vor seiner Abreise noch aussprechen, nur eine gewisse Warnung vorzubringen, fühlte er sich verpflichtet. Zu diesem Zweck suchte er Herrn von Wegemann auf und traf ihn glücklich zu Hause. Es war eben dessen Frühstücksstunde.
    »Minister Allerdings« lud Rudolf ein, mit ihm eine Omelette und ein Beefsteak zu teilen, was dieser bereitwillig annahm, weil er wußte, daß es sich bei Tisch, und namentlich nach Tisch, bei Kaffee und Zigarre, am besten plaudern ließe. Er hatte die Absicht, sich über die Sache, die ihm am Herzen lag, gründlich auszusprechen. Zwar war Herr von Wegemann nicht mehr aktiv an der Politik beteiligt, aber er war in stetem Verkehr mit den leitenden Männern und gehörte mit allen seinen Ansichten und Neigungen der herrschenden Partei an. Dazu war er der intimste Freund desjenigen Staatsmannes, der damals den höchsten Einfluß besaß, und der als ein Mann von aufrichtig kirchlicher Gesinnung, dabei von universeller Bildung und lauterstem Charakter bekannt und allgemein – auch von seinen Gegnern – hochgeachtet war.
    Ein gar gemütliches Hagestolzen-Heim war es, in dem Herr von Wegemann hauste. Alles, was ihn umgab, war gediegen und behaglich. Einige große schöne Frauenporträts an den Wänden ließen annehmen, daß der Minister es verstand, die sorgenlose, angenehme Gegenwart mit noch angenehmeren Erinnerungen an die Vergangenheit zu würzen.
    Rudolf empfand eine gewisse, leise Anwandlung von Neid, die ihn in letzter Zeit öfters überkam, wenn er einen Menschen beobachtete, der mit sich, mit seiner Existenz, seinem Milieu und seiner Zeit in ruhiger, völliger Übereinstimmung stand; bei dem das ganze Seelenleben – Denken, Wissen, Fühlen – in eine Art System gebracht war; das alles so schön geordnet und friedlich, daß man daneben ganz gut auch seine kleinen materiellen Vergnügungen und Angelegenheiten systematisch betreiben kann, einen geregelten Haushalt haben, sein solides Vermögen administrieren, von der eigenen Klugheit und Wichtigkeit durchdrungen sein, kurz, in der Atmosphäre des engbegrenzten Egoismus sich wohlfühlen, wie der Fisch im Wasser. Während Leute, die wie er nach allen Richtungen Zustände ersehnen, Leute, die das Heimweh der Zukunft in sich tragen, sich so heimlos fühlen, so losgelöst von den kleinen Interessen der umgebenden Gegenwart.
    Als die beiden Männer nach beendetem Frühstück sich im Rauchzimmer, wo Kaffee und Liköre aufgetragen waren, niedergelassen hatten, begann Rudolf:
    »Und nun zum eigentlichen Zweck meines Besuchs. Daß ich mich verabschiede, weil ich heute abend auf längere Zeit Wien verlassen will, sagte ich schon; was der Grund ist, der mich forttreibt, das will ich Ihnen jetzt sagen. Ich habe hier vor kurzem etwas so Revoltierendes erlebt, daß ich eine Zeitlang eine andre Luft atmen muß ... Aber Ihnen, der Sie dableiben, möchte ich etwas ans Herz legen. Auf eine Gefahr möchte ich aufmerksam machen, die ich im öffentlichen Leben aufsteigen sehe.«
    »Allerdings – Gefahren sehe ich auch. Zum Beispiel die überhandnehmende Glaubenslosigkeit, der wachsende Materialismus – womit natürlich Verrohung Hand in Hand geht –, die Begehrlichkeit der Massen und dergleichen mehr. Da gilt es eben, daß die edleren Elemente sich zusammennehmen und alles aufbieten, um die subversiven Kräfte nicht aufkommen zu lassen –«
    »Bitte«, unterbrach Rudolf, »reden wir nicht in vaguen Allgemeinheiten. Das, was ich sagen will, die Sache, die mir bedrohlich scheint, ist etwas ganz

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