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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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hämischen Kritik, die eine Wochenschrift über sein Stück gebracht; von Rudolf, dessen Vortrag er leider nicht gehört – doch in seiner Stimme lag so innige Wärme, als hätte er stets nur wiederholt: ich liebe Dich – ich liebe Dich in Zeit und Ewigkeit. In ihr steigerte sich das Verlangen, dieses Wort von seinen Lippen zu hören und es ihm selber zu sagen, und so waren die einsilbigen, bedeutungslosen Antworten, die sie ihm gab, gleichfalls von verhaltener Zärtlichkeit durchzittert.
    Manchmal verstummten sie auch ganz und gingen nur so nebeneinander her; nicht Arm in Arm, doch so nah, daß ihre Arme sich streiften ... Sylvia kam sich vor, wie in eine nie gekannte Lage versetzt. Alles, was sie umgab, war ihr fremd und eigentümlich, als hätte sie ähnliches niemals erlebt – das Geklingel der Trambahn, die Spiegelscheiben der Auslagen, die geschäftigen und die flanierenden Leute – alles war so unwirklich, es gehörte nicht zu ihr und sie gehörte nicht hinein. Überhaupt, was sie jetzt durchbebte, war nur Präludium, Prolog ... das eigentliche Stück sollte erst folgen. Auch ihr ganzes früheres Leben war wie ausgelöscht, die Gegenwart galt nicht, aber das Kommende... Sie wagte nicht, gerade hineinzuschauen in dieser Verheißung, gerade so, wie man nicht in die Sonne schaut – –
    So waren sie vor dem Dotzkyschen Hause angelangt. Sie wollte ihm nun die Hand reichen und Adieu sagen – aber sie war wie gelähmt und tat es nicht. Sie konnte nicht einmal stehen bleiben, sondern bewegte sich mechanisch weiter und trat unters Tor. Er desgleichen. Da fing ihr Herz wild zu pochen an. Sie wollte gar nicht mehr, daß er sie verlasse.
    Auf der Treppe bot er ihr den Arm und an der Flurtür zog er die Klingel. Jetzt konnte sie ihn noch immer wegschicken – sie tat es nicht.
    Der Diener öffnete. Sylvia trat über die Vorzimmerschwelle; Hugo hinterdrein. Der Diener nahm seiner Herrin die Jacke und dem Besucher den Überrock ab und öffnete dann eine Tür. Sylvia ging voran; ohne sich umzusehen durchschritt sie die ganze Flucht der Zimmer, bis sie in ihrem kleinen Salon anlangte. Sie warf ihren Hut auf ein Möbel und wandte sich um. Hugo, der ihr in dieses Heiligtum gefolgt war, stand mit dem Rücken an die geschlossene Tür gelehnt und öffnete die Arme. Mit einem halberstickten Schrei sank sie hinein.
    »O mein Geliebter, Geliebter, Geliebter ...« Ihr gesenkter Kopf war an seiner Brust geborgen. Geborgen : das war das rechte Wort für das, was sie empfand: das Vollgefühl der Erfüllung.
    Er hob ihren Kopf empor und bog ihn zurück, um ihr tief in die Augen zu schauen:
    »Mein, mein ...« dann drückte er seinen Mund auf ihre wie küssedurstend geöffneten Lippen.
    So blieben sie zwei selige Minuten umschlungen. Dann riß Sylvia sich los und entfernte sich ein paar Schritte.
    Sie ließ sich in eine Sofaecke fallen mit einem tiefen zitternden Seufzer. Er näherte sich.
    »Dort,« sagte sie und wies nach einem seitlich stehenden, etwas entfernten Fauteuil.
    Er gehorchte. In dieses Zimmer, das wußte er von früher her, konnte jeden Augenblick jemand hereinkommen. Nur vorhin, als er an den Türflügel gelehnt gestanden, war man vor Überraschung sicher gewesen.
    »Ich habe nicht geglaubt,« sagte Sylvia, »daß ich so lieben kann.«
    »Wie ich Dich liebe, weiß ich längst ... Schon damals – erinnerst Du Dich – in Brunnhof, bei dem plötzlichen Gewitter, wie Du mir entgegenliefst und ausglittest – als ich Dich in meinen Armen auffing, schon damals wußte ich: für mich kann es nur einen Himmel auf Erden geben – Dich besitzen.«
    »Ja, wir werden glücklich sein, über alle Begriffe glücklich ... Und Du wirst dabei ein noch größerer Dichter werden, als Du schon bist.«
    »In dieser Stunde ist mir jeder Ehrgeiz erstorben – höheres kann ich nicht erreichen, als Dich –«
    »Nicht erstorben, nur betäubt. Mir ist auch so zu Mute ... wie in einem Taumel – und doch so ruhig, ruhig ... Teurer –«
    Sie streckte die Hand aus. Er rückte mit seinem Fauteuil näher, um diese Hand ergreifen Zu können. Nur sagten sie sich in geflüsterten Worten – Hand in Hand und Aug' in Auge – die hundert innigen, törichten Dinge, die wie gesprochene Liebkosungen sind. Und schließlich, trotz der gefährlichen offenen Tür, fanden sich ihre Lippen wieder in einem langen, weltentrückenden Kuß.
    So entrückend, daß sie nicht hörten, wie jene Tür tatsächlich aufging und jemand bis in die Mitte des Zimmers

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