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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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hielt seine Hand in der ihren. Auf einem Diwan am anderen Ende des Zimmers saßen Doktor Bresser und Martha nebeneinander, in mehr oder minder langen Zwischenräumen leise Worte tauschend.
    »Erinnern Sie sich,« sagte Martha nach einer Pause, »unserer Fahrt auf dem Karren von Königinhof nach Horowetz am Tage nach der Schlacht?«
    »Ich erinnere mich ... An dem Leichenhaufen vorbei, von dem die Raben aufflogen. Das war doch noch trauriger.«
    »Nur schauriger – und ebenso überflüssig.«
    »Ja, es ist dieselbe große Sünde: Zweikampf oder Hunderttausendkampf – derselbe Wahn, daß man mit Töten etwas erreichen, etwas beweisen, etwas gutmachen kann. Es ist alles so traurig, so traurig –«
    »Mein armer Freund ...« Martha seufzte schmerzlich. Es war ihr unendlich weh zu Mute. Dieser sterbende junge Mann, das verdorbene Schicksal ihrer Sylvia ... Von Rudolf – der hatte auch gar harte Kämpfe aufgenommen – war sie schon länger ohne Nachricht. Die ganze Zukunft ihrer Kinder (an sich dachte sie ja nicht) schien ihr mit einem Male so verrammelt, die ganze Welt so verdüstert. Bilder aus der Vergangenheit stiegen vor ihrer Erinnerung auf, alle so grausig wie das, welches sie vorhin wachgerufen: der vom Leichenhaufen an der zerschossenen Kirchhofsmauer zu dem von fahlem Mondlicht erhellten Nacht« Himmel auffliegende Rabenschwarm ... Sie sah den Novembertag auf dem Gräberfeld von Sadowa, da der junge Kaiser in Tränen ausbrach – die schmucklosen Särge sah sie, in denen man im Laufe einer einzigen Woche – der Grumitzer Cholerawoche – ihre drei blühenden Geschwister hinausgetragen – und, das fürchterlichste Bild von allen: zusammenstürzend unter dem Feuer des Exekutionspelotons, die geliebte Gestalt ihres Friedrich – –
    Der Kranke erwachte. »Wasser!« bat er leise.
    Der alte Doktor stürzte hinzu, aber Sylvia hatte schon ein Glas gefüllt und mit erregungszitternder Hand an Hugos Lippen gesetzt. Er trank mühsam, aber gierig. Dann sank sein Kopf auf das Kissen zurück; er hatte sie wieder nicht erkannt.
    Seit Sylvia hierhergekommen – jetzt war es schon am dritten Tage – hatte er noch mit keinem Wort und keinem Blick gezeigt, daß er wußte, wer da neben ihm war. Sie lechzte danach, von ihm erkannt zu werden. Sie wußte, daß ihre Nähe ihn beglückt hätte; es war ihr schrecklich, daß er nicht imstande war, dieses Glück – vielleicht das letzte – noch zu fühlen. Vergebens hatte sie ihm zugeflüstert: »Hugo, Hugo, ich bin's – sieh mich an – Deine, Deine Sylvia!« Vergebens ihm ins Auge geschaut, die verzehrendste Leidenschaft, die innigste Zärtlichkeit im eigenen Blick – seine armen, fieberbrennenden Augen irrten wie hilfesuchend umher und nicht ein Schein von Verständnis und Bewußtsein. Das war ja gar nicht Hugo, der da lag, nicht ihr Dichter, von dem sie angebetet wurde, das war nur ein zuckender, leidender Körper mit zwar noch nicht entflohener, aber abwesender Seele.
    Gegen Zehn Uhr kam der Professor wieder. Er fand – was auch Doktor Bresser schon konstatiert hatte – daß das Fieber bedeutend nachgelassen. »Das ist günstig«, setzte er hinzu.
    Sylvia erbebte. Wie ein seliger Hoffnungsblitz hatte sie dieses Wort durchfahren.
    Beim Fortgehen gab der berühmte Arzt die Möglichkeit zu, daß der junge Mann davonkomme. Die folgende Nacht würde er wahrscheinlich ruhig schlafen. Da wäre viel gewonnen. Und beim nächsten Erwachen – Hugo war wieder eingeschlummert – würde er wohl bei Bewußtsein sein.
    »Bei Bewußtsein« – auch dieses Wort durchfuhr Sylvia mit sehnsuchtsheißer Freude – ein Wiedersehen würde das ja sein!
    Martha schlug vor, daß man nach Hause fahre. Sylvia aber weigerte sich.
    »Ich weiche nicht mehr von hinnen, bis er gerettet ist, oder –«
    »Tot« brachte sie nicht über die Lippen. Um keinen Preis hätte sie den Augenblick versäumen wollen, den der Professor vorher gesagt – den Augenblick des zurückkehrenden Bewußtseins. Wenn er erwachte, mußte sein erster Blick auf sie fallen – dann würde es ein glückliches Erwachen sein, das wußte sie.
    Als Martha sah, daß ihre Tochter so fest entschlossen war, zu bleiben, verzichtete auch sie auf das Nachhausegehen. Doktor Bresser stellte ihr sein Schlafzimmer zur Verfügung – er selber wollte bei seinem Sohne wachen. Auch Sylvia bot er an, ihr in einem Nebenraum ein Bett aufschlagen zu lassen, sie aber erklärte, daß sie sich von dem Lehnstuhl an Hugos Seite nicht rühren werde – sie

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