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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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»Schwärmer!«
    »Danke«, sagte Rudolf, indem er aufstand. »Ich nehme diese Bezeichnung als Ehrentitel an und – nichts für ungut. Ich füge nur hinzu, daß, wenn ich einigermaßen schwärmerisch von der Größe einer vorhergesehenen Zukunft spreche, ich dabei die kleinen, tunlichen, praktischen Schrittchen nicht übersehe, die schon heute nach jener Richtung getan werden können, und die jeder von uns zu tun sich bemühen soll. Jetzt adieu – und nochmals Dank für die lehrreiche Unterhaltung.«
    Am selben Abend reiste Rudolf von Wien ab. Sein Ziel war Venedig. Vom stillen Zauber dieser Stadt, dem er sich durch vierzehn Tage hingeben wollte, versprach er sich Linderung für sein durch die letzten Vorgänge verwundetes Gemüt.

XXXII.
    In der Wohnung seines Vaters lag Hugo Bresser. Die Kugel, die ihn verwundet hatte, war zwar glücklich gefunden, und entfernt worden, aber noch schwebte der Patient zwischen Leben und Tod.
    Im Krankenzimmer herrschte Halbdunkel; die Fenstervorhänge waren zugezogen, denn Hugo vertrug kein Licht, es tat ihm weh. Am Kopfende des Bettes stand der alte Vater, und an der Seite saßen zwei Frauen, Sylvia und Martha.
    Nach dem Duell hatte Anton Delnitzky Wien verlassen. Seiner Frau ließ er ein Schreiben zurück, worin er ihr die von ihr verlangte Freiheit gab. Die »Scheidung soll vollzogen werden« – schrieb er – »den Grund hast Du dazu gegeben. Deinen Geliebten habe ich natürlich niederschießen müssen; nach dem was vorgefallen, hatte weder er noch ich eine andere Wahl, als auf den Kampfplatz zu gehen. Und Du und ich können miteinander nichts mehr zu tun haben; wir können uns gegenseitig auch nicht verzeihen, was wir einander angetan. Du hast unsere Ehre tötlich verletzt – und ebenso verletzte ich Deinen Liebhaber. Da gibt es keine Verzeihung – weder für Dich noch für mich. Wir sind miteinander fertig.«
    Als Sylvia von der Ohnmacht erwachte, in die sie bei jenem Auftritt gefallen war, befand sie sich auf ihrem Bette, auf das man sie gebracht hatte. Sie mußte nicht, wie lange sie bewußtlos gewesen, noch was weiter geschehen war.
    Daß ein Zweikampf folgen würde, wußte sie, und ein fürchterlicher Zorn stieg in ihr auf über die elenden Einrichtungen der menschlichen Gesellschaft, die als Klärungsmittel für schwierige Lagen den Mord eingesetzt haben. Als ob das Töten irgend etwas gut machen könnte! Die beiden Männer würden sich schlagen – das war klar. Ein wildes Verlangen, dieses Duell zu verhindern, erfüllte sie – doch wußte sie zugleich, daß jeder Versuch scheitern würde. Was konnte sie tun? Sich dem Gatten zu Füßen werfen? Umsonst! Abzubitten hatte sie ihm nichts – und um das Leben des andern flehen: was half's? Der andere würde ja selber – sie erinnerte sich des Schlages, den er ins Gesicht bekommen – nicht ruhen, ehe er diese Schmach mit Blut gewaschen. Als ob vergossenes Blut überhaupt etwas reinigen, etwas Geschehenes ungeschehen machen könnte – o über den geheiligten Widersinn, unter dessen Herrschaft die blöde Welt sich gestellt hat! Oder zu Hugo eilen und ihm sagen: Du gehörst mir, Du hast kein Recht mehr, Dich mir zu entreißen – fliehen wir ...
    Aber kaum zum Bewußtsein zurückgekehrt, und diese und ähnliche Gedanken in ihrem gequälten Hirne wälzend, verfiel sie in heftiges Fieber mit Delirium. Und was die nächsten Tage brachten, das wußte sie nicht. Sie nahm nur dunkel wahr, daß um sie Frauen bemüht waren, daß ein Mann ihren Puls fühlte, und daß die Gestalt ihrer Mutter über sie gebeugt war ...
    Erst als das Duell schon vorbei war, hatte sie sich wieder erholt. Jetzt mußte sie alles erfahren. Sie forderte es. Sie schrie nach Auskunft – es war ihr Recht ... Martha willfahrte ihr:
    »Das Duell hat stattgefunden – auf Pistolen – Anton blieb unverletzt und ist abgereist, und Hugo –«
    »Ist er tot?«
    »Nein, Kind, nicht tot – aber schwer verwundet.«
    Jetzt fand sie keine Ruhe mehr, sie mußte zu ihm. »Aber Sylvia – Du, zu dem Mann, mit dem sich Dein Gatte geschlagen, was würde die Welt –«
    »Darnach frage ich nicht – Hugo stirbt vielleicht. Die Welt? – Ihre Satzungen sind es, die Dir Mutter, Deinen Abgott getötet haben, und die den Mann, der mich betrogen, zum Mörder meines Geliebten machten.«
    »Dein Geliebter? ... so war er –«
    »Wie soll ich ihn anders nennen? – Ich lieb' ihn ja. Die Welt verachte ich und verächtlich wäre ich, tät' ich's nicht ... Gehen wir – komm mit,

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