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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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könne auch da ruhen. Martha nahm des Doktors Anerbieten an und zog sich zurück.
    Zwei Stunden später. Hugos Atemzüge gingen regelmäßig und ruhig. Bresser lag angekleidet auf dem Diwan und war eingeschlummert, ebenso die Wärterin, die in einem Lehnstuhl neben dem Ofen ruhte. Die einzige Wache im Zimmer war Sylvia, die beim Kopfende des Krankenbettes saß und unverwandten Blickes auf den Daliegenden schaute, obwohl die geliebten Züge kaum zu erkennen waren, denn die Lampe am anderen Ende des Zimmers war noch mehr herabgedreht worden und nur ein ganz schwacher Schein ging davon aus. Die Wanduhr tickte hörbar – vor kurzem hatte sie ein Uhr geschlagen. Im Ofen knisterten die brennenden Scheite. Von der Straße her, trotz der geschlossenen Läden, dringt von Zeit zu Zeit das dumpfe Rollen eines vorüberfahrenden Wagens – Leute, die von lustigen Festen heimfuhren, vermutlich, und die keine Ahnung hatten von dem Bangen hier oben – ein Bangen, das sich vielleicht bald in wilden Schmerz verwandeln konnte. Der Gedanke, daß der Geliebte sterben würde, drängte sich ihr immer wieder auf. Manchmal quälte sie sich absichtlich damit, sich vorzustellen, daß er schon tot sei – ein Faltenwurf der Decke auf seiner Brust warf einen Schatten, der bei einiger Einbildung wie ein Kruzifix aussah ...
    So verging noch eine Stunde. Die Uhr holte schnarrend aus, um Zwei zu schlagen. Zugleich regte sich der Kranke.
    Sylvia sprang auf und neigte sich über ihn. Seine Augen waren offen. Es durchfuhr sie der gleiche selige Hoffnungsstrahl wie bei Professor Lindens Wort: »bei Bewußtsein«. Vielleicht jetzt ... vielleicht war er – er selber wieder da – –
    »Hugo, Hugo, kennst Du mich?« rief sie leise, aber inbrünstig.
    Er war in der Tat zum Bewußtsein erwacht. In raschen Erinnerungsblitzen spielte sich in seinem Geiste das Vorgefallene ab: das Duell, die Verwundung, der Transport hierher, die Operation und dann ein leeres Nichts. Und jetzt: ihr Gesicht lag im Schatten, aber die Stimme hatte er erkannt – jetzt, über ihn gebeugt, das Weib seiner Liebe ...
    »Sylvia Sylvia, Du! – So hab' ich Dich wieder?«
    »Und auf immer ... bist gerettet – bist genesen ... ein langes Leben liegt vor Dir, vor uns ... Nichts soll uns trennen. – Wie ist Dir?« ... Wie fühlst Du Dich?«
    »Ich bin glücklich, Sylvia, o so glückl – –«
    Er erhob sich ein wenig, fiel aber mit einem' durchdringenden Schmerzensschrei wieder in die Kissen zurück.
    Da war auch schon Doktor Bresser an der Seite seines Sohnes und beugte sich über ihn.
    »Er ist zu sich gekommen«, sagte Sylvia, »er hat mich erkannt, Nicht wahr, Hugo – was ist Dir? ... Hugo, so sprich doch! ...«
    Der alte Mann wehrte ihr ab:
    »Still, er stirbt – –«

XXXIII.
    Martha Tilling an Graf Kolnos
    Grumitz im Juni 1895.
    Teuerer Freund.
    Innigsten Dank dafür, daß Sie mir Ihre baldige Rückkunft anzeigen und die Adresse ihrer letzten Etappe geben. Da kann ich Ihnen wieder, wie schon einmal, schreiben, was in der langen Zeit Ihrer Abwesenheit in meinen Kreisen vorgefallen.
    Es war ein Drama, ein erschütterndes Drama. Sie werden ja alles hören, wenn sie zurückkommen, aber vielleicht mit Übertreibungen und Entstellungen. So sollen Sie zuerst die ganze Wahrheit von mir erfahren.
    Wenige Tage, nachdem Ihr – wie nennen Sie's doch? – Ihr »periodischer Reiseraptus« Sie gepackt hatte, Ziel: das Innere Afrikas –, hat sich das Drama abgespielt. Vielleicht ist doch durch die Zeitungen die Kunde davon zu Ihnen gedrungen? Aber Sie lesen ja keine Zeitungen in Ihrem Erholungsexil – und so wissen Sie wohl nichts vom Duell Bresser-Delnitzky. Ja, mein Schwiegersohn hat den jungen Dichter tödlich verwundet: Bresser war – nein, nicht Sylvias Geliebter – er war von Sylvia geliebt. So sehr geliebt, daß sie, unbekümmert um das, was die Welt dazu sagen könnte, an sein Krankenlager eilte – ich mit ihr – und daß sie bei ihm blieb – ich mit ihr – bis zu seinem letzten Seufzer.
    Was dann folgte, war herzzerreißend. Mein Gott, ich habe ja in meinem schwergeprüften Leben viele Schauerszenen durchgemacht, die der unbarmherzige Tragödiendichter Tod zu schaffen weiß: die Agonien in den böhmischen Lazaretten, die Cholerarwoche in Grumitz, die Hinrichtung meines Liebsten ... Zuletzt die Verluste, die meinen Rudolf betroffen – aber ich dachte nicht, daß ich noch einmal einer Sterbestunde beiwohnen sollte, die mir eine ganz neue Art des Schmerzes offenbaren

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