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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Mutter, und gehen wir gleich.«
    Drei Tage waren seit dem ersten Krankenbesuch der beiden Frauen vergangen.
    Hugo lag mit geschlossenen Augen da und atmete schwer.
    »Schläft er?« fragte Martha im Flüsterton.
    Doktor Bresser schüttelte den Kopf: »Ich glaube nicht.«
    Sylvia war blaß und verweint. Noch hoffte sie auf Rettung, aber schon die Möglichkeit – die sogar eine Wahrscheinlichkeit war – daß er verloren sei, und dazu der Anblick seiner Leiden, verursachten ihr so tiefen Schmerz, daß seit drei Tagen und Nächten ihre Tränen fast nie versiegten.
    Gestern und vorgestern waren Mutter und Tochter je zwei Vormittags- und zwei Nachmittagsstunden bei dem Kranken geblieben und am Abend wurde noch um Nachricht geschickt. Augenblickliche Gefahr war noch nicht eingetreten gewesen.
    Martha blickte auf die Uhr und stand auf.
    »Komm, Sylvia, jetzt wollen wir gehen.«
    Die junge Frau erhob sich auch.
    »Sollte es schlechter gehen, so lassen Sie uns rufen,« sagte sie zum Doktor.
    Aber als die Beiden schon nahe der Tür waren, kam ihnen Bresser nach und sagte bedeutungsvoll: »Gehen Sie nicht –«
    Sylvia erbebte. Sie schaute zu Bresser auf, eine entsetzte Frage im Blick.
    Er verstand diese Frage und antwortete: »Ich fürchte –«
    Sylvia flog wieder an die Seite des Bettes zurück und kniete da nieder. Jetzt weinte sie nicht – der Schreck war zu heftig gewesen.
    Hugo lag regungslos; der Atem, der durch seine halboffenen Lippen drang, hatte einen leise wimmernden Laut.
    Baronin Tilling ergriff die Hand ihres alten Freundes?
    »Was fürchten Sie? – Steht es so schlecht?«
    »Es steht schlecht.« Es gab Martha einen Stich. Dabei dachte sie weniger an Hugo, als an den Freund. Der einzige Sohn! – Freude und Stolz seines Vaters ... eine so glanzvolle Zukunft vernichtet ...
    »Ich habe nicht genügend Vertrauen in meine Kunst, – auch nicht in die des Arztes, der ihn jetzt neben mir behandelt – ich habe noch Professor Linden gerufen.« Er wandte sich an die knieende Sylvia: »Gräfin Sylvia, Doktor Linden kann jeden Augenblick kommen. Wollen Sie vielleicht unterdessen ins Nebenzimmer? –«
    Sie hob den Kopf.
    »Das hat ja Zeit, bis er da ist – und wenn er mich fortschickt.«
    »Dann hat er Sie aber schon gesehen.« – Sylvia blickte verständnislos – »Ich meine, es könnte dann bekannt werden ... Doktor Linden kommt überall herum ... und nach allem, was man in der Stadt erzählt –«
    »Ist mein Platz nicht hier, meinen Sie?«
    »Mein Gott, die böse Welt –«
    Ein Ausdruck tiefster Geringschätzung flog über Sylvias Züge:
    »Ich bleibe.« Und wieder vergrub sie den Kopf in die Decke am Bettrand. Bresser hatte sie verstanden: angesichts von Liebe und Tod – diesen beiden erhabenen Gewalten – war dem jungen Weibe das, was er vorhin die Welt genannt, zu einem Nichts geschrumpft.
    Der erwartete berühmte Professor kam. Er konnte nur bestätigen, was Doktor Bresser selber gefunden: die Gefahr war groß. Natürlich hatte er die beiden Damen erkannt und wohl darüber gestaunt, daß diejenige, deren Gatte – ihretwegen – den Rivalen verwundet hatte, an diesem Krankenbette weilte, aber er ließ davon nichts merken.
    Er verordnete weiter nichts als eine hohe Dosis Chinin zur Niederschlagung des Fiebers. Gelänge es nicht, die 40 Grad-Temperatur herabzudrücken, stiege sie noch über 41, so wäre das das Ende ... aber es war ja möglich, daß ... nun, er wollte am selben Abend noch einmal nachsehen.
    Im Vorzimmer ging es lebhaft her. Ein Zeitungsreporter reichte dem andern die Türklinke. Auch andere Leute in Menge kamen Nachricht zu holen über den Zustand des Dichters. Bressers Diener gab Auskunft über das Befinden und den Zeitungsmenschen teilte er die Bulletins mit, welche dann regelmäßig in allen Morgen- und Abendblättern erschienen. Die ganze Stadt war voll Teilnahme und etwas Skandalsucht mischte sich wohl auch dazu, man erzählte sich in allerlei Versionen, was die Ursache des Duells gewesen und der abgedroschene Satz »cherchez la femme« wiederholte sich in all' den geistreich sein wollenden Kommentaren. Es wurde Abend. Eine schirmüberschattete Lampe in einer vom Bett entfernten Ecke verbreitete nur sehr gedämpftes Licht in dem durch dunkle Tapeten und Holzverkleidungen ohnehin dunkel erscheinenden Raume. Es war sein Studierzimmer, in das der Doktor den verwundeten Sohn hatte betten lassen – das geräumigste Gemach der Wohnung.
    Hugo war eingeschlummert. Sylvia saß neben ihm und

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