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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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– alle wünschen Sylvia Glück ... Und weißt Du, Rudolf, was ich fürchte? ... Sie wird nicht glücklich werden. Das habe ich heute wieder mit erschreckender Deutlichkeit empfunden. Und ich fühle mich so schuldig dabei, so schuldig! ...«
    Ihre Stimme zitterte. Rudolf legte beschwichtigend die Hand auf ihren Arm.
    »Mache Dir keine Vorwürfe, Mutter. – Die Zeiten sind nicht mehr, da Eltern über das Schicksal der Kinder verfügten. Sylvia hat frei gewählt ... und schließlich, der Toni ist nicht schlimmer als ein Dutzend andere –«
    »Unsere Sylvia – meines Friedrichs Sylvia – durfte aber keinem Dutzendmenschen gegeben werden ... Überhaupt, seit einiger Zeit ist mir, als täte ich dem Andenken meines Toten gegenüber nicht mehr meine ganze Schuldigkeit. Als ich an meiner Lebensgeschichte schrieb, da hatte ich das Bewußtsein, eine Aufgabe zu erfüllen; – jetzt, seitdem diese Arbeit vollendet ist, ist mir, als müßt' ich anderes wirken, tun, vollbringen, und ich tue ja nichts ...«
    Rudolf sprang erregt auf und ging einige Schritte auf und nieder. Dann blieb er vor seiner Mutter stehen:
    »Ich tue nichts. Und das lastet auf Deinem Gewissen wie auf dem meinen. Du hast mich ja dazu aufgezogen, den Kampf fortzusetzen, den Tilling begonnen hatte, und was habe ich bis jetzt geleistet? Immer nur verschoben und verschoben ... immer nur geplant und geplant ... Aber getan? Nichts.«
    »Nun, wenn Du im Parlament –«
    »Ja, das ist auch so einer meiner Pläne, meiner hinausgeschobenen Arbeitsvorsätze. Aber ich fange an zu fürchten, das es damit auch nichts werden wird... Es fällt ja immer alles ins Wasser – wie zum Beispiel auch die Bressersche Zeitung ... Das sollte mein Organ werden; darin hätte ich ausgeführt und beleuchtet, was im Parlament nur angedeutet werden konnte. Wer weiß aber, ob ich überhaupt ins Parlament komme? Ich werde hin- und hergezerrt, ich möge mich dieser oder jener Partei anschließen, und wenn ich dann sage, was ich eigentlich will – Dinge, die außerhalb der bestehenden Programme liegen, – so finde ich kein Verständnis, so glauben die Leute – ich sehe es ihnen an – ich hätte einen Sparren. Am allerwenigsten verstehen mich die Wähler. Du wirst sehen: ich werde gar nicht gewählt. Mein Gegenkandidat, der tritt so schön vertrauenerregend in die gewohnten Phrasengeleise; der verspricht so bieder, alle kleinen Lokalinteressen zu vertreten, während ich von Allgemeinheitsinteressen fasele ... Gibt's denn eine Allgemeinheit in der Politik? Glauben denn die Leute nicht immer, daß eine Partei die andere niederringen muß, daß es dem A nur gut gehen kann, wenn der B überlistet und der C zermalmt wird? Du wirft sehen, mein Gegenkandidat wird zehnmal mehr Stimmen erlangen als ich. Und das wird mich nicht einmal kränken können, denn in jeder Ansammlung von Köpfen gibt es doch zehnmal mehr dumme als kluge ... Hat man als Grundlage von Gesetzgebung und Regierung etwas blöderes, geradezu schädlicheres finden können, als das Entscheidungsrecht der Mehrheit?«
    »Das Instrument mag schlecht sein, Rudolf. Aber wenn kein anderes da ist, worauf willst Du Deine Melodie spielen?«
    » Meine Melodie! Wenn nur die auch schon klar und voll und alles andere übertönend mir in der Seele klingen wollte ...«
    »Das tut sie ja. Wenn ich an die begeisterten Worte denke, die Du bei Fritzis Taufe sprachst... das war echter Klang –«
    »O ja, einzelne große Glockentöne, die ich selber höre, wie sie mir aus Herzensgrund und Seelentiefe schallen ... dann aber kommt wieder der Lärm der Welt hinzu, der sie verschlingt – das Gegacker der Alltäglichkeit, das Gekläffe der Gemeinheit...«
    »In solchem Zorne liebe ich Dich... solche Selbstanklage bürgt mir für Dein echtes Wollen.«
    »Du bist zu nachsichtig mit mir, Mutter. Ich würde Deinen Tadel, Deine Vorwürfe verdienen. Was habe ich bis jetzt erreicht? Was habe ich nur versucht in jener großen Sache, die Friedrich Tillings Vermächtnis war? Heute hat es mich wie Reue erfaßt...«
    »Wir begegnen uns, mein Kind; auch ich habe die Empfindung, mich an Friedrich versündigt zu haben.«
    »Du, wieso? Was kannst Du in der Sache noch tun?«
    »Nicht in der Friedenssache meine ich. Ich meine... es ist mir schwer zu erklären... Du hast doch meine Lebensgeschichte gelesen? Du mußt darin den Abglanz eines Dings gefunden haben, das in der Welt gar so selten anzutreffen ist: das vollständige eheliche Liebesglück–«
    »Ja, das habe ich

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