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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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aufgenommen, indem ein Credo, drei Vaterunser und drei Ave-Maria laut hergesagt wurden.
    Während des Ringwechsels waren draußen Böllerschüsse gefallen und auch jetzt, nach beendeter Zeremonie, während alle Familienglieder sich um die Neuvermählten drängten, sie zu küssen, ließen die Burschen im Dorfe die Freudenschüsse knattern.
    Nachdem das junge Paar und die Trauzeugen ihre Namen in das Kirchenregister eingetragen, war die ganze Handlung beendet. Von neuem formte sich der Zug, doch jetzt in anderer Ordnung: Sylvia voran am Arme des – Gatten.
    Es folgte nun – alle Festlichkeiten gipfeln ja im Essen und Trinken und in Trinksprüchen – das Hochzeitsfrühstück an der mit weißen Blüten überstreuten Tafel.
    Den ersten Toast brachte der Prälat aus – auf die Neuvermählten natürlich. Ein Blumensträußchen hatte er für sie gewunden. Darin war weißer Flieder, als Sinnbild der Unschuld der holden Braut; eine blaue Kornblume – die Farbe der ehelichen Treue–; eine rote Rose, das Bild der Liebe, und das Ganze zusammengehalten – damit die höchste Weihe nicht fehle – durch einen Dorn aus des Heilands Dornenkrone. Und indem er ihnen diesen Strauß auf den Lebensweg mitgebe – der aber kein Dornen-, sondern ein Rosenpfad sein möge – bringe er ein Hoch aus auf Graf Anton und Gräfin Sylvia Delnitzky.
    Alle rufen »hoch« und stehen auf, um mit den beiden anzustoßen. Gar manche sind darunter, die vor mehr oder weniger Jahren das Gleiche durchgemacht, auf deren Glück ebenso stürmische »Hoch« ausgebracht wurden und die doch nichts weniger als glücklich geworden. Sylvia ist von der durchgemachten Erregung, von dem Lärm wie halb betäubt: das Wort Glück – von allen Seiten schlägt es an ihr Ohr... Aber ist diese Müdigkeit, diese Abspannung, diese zugleich glühende Neugier und fröstelnde Furcht vor dem so nahe bevorstehenden »Endlich allein«, dieses Bangen vor der lebenslänglichen Zukunft an der Seite eines – Fremden, dieser Abschied von dem teuren Mädchenheim, von den Ihren –: ist denn das »Glück«?
    Sie denkt auch, mehr als sie daran denken sollte, an einen Brief, den sie vor einigen Tagen von Hugo Bresser erhalten. Einen Brief, den sie oft durchgelesen und den sie an diesem Morgen verbrannt hatte ...
    Nach zwei Stunden war das Mahl zu Ende und eine weitere Stunde später bestieg das junge Paar den Wagen, der es zur Eisenbahnstation brachte. Ein kalter Novembernebel rieselte herab, doch die Hochzeitsreise ging ja in das Land der Sonne – an die Riviera.

IX.
    Kurz nach der Abfahrt der Neuvermählten hatte sich Baronin Tilling in ihre Zimmer zurückgezogen. Sie war nicht in der Laune, mit fremden Leuten liebenswürdig zu sein. Diese Aufgabe mußten Rudolf und Beatrix absolvieren, sie sehnte sich nach Ruhe und Einsamkeit.
    Gegen Abend aber sehnte sie sich nach Mitteilung, und da ließ sie ihren Sohn bitten, er möge zu ihr kommen. Bereitwillig willfahrte Rudolf diesem Wunsch. Hätte er nicht gefürchtet, seine Mutter zu stören, so wäre er von selber zu ihr gekommen, denn auch er hatte Unausgesprochenes auf dem Herzen, Dinge, über die er sich, mit niemand anderem als mit ihr aussprechen konnte.
    Martha, die ihre prunkvolle Brautmutter-Toilette gegen einen bequemen Schlafrock aus schwarzem Samt vertauscht hatte, lag auf einem in die Nähe des knisternden Ofenfeuers gerückten Ruhebett; eine unter großem Spitzenschirm brennende Lampe verbreitete ein gedämpftes Licht in dem wohligen, mit Blumenduft erfüllten Raum. Der Duft kam von den Orangeblüten des Brautbuketts, das Sylvia hier hatte liegen lassen, als sie von der Mutter Abschied nahm.
    »Hier bin ich«, sagte Rudolf eintretend. »Wünschest Du etwas von mir, Mutter?«
    »Nur Deine Gesellschaft, liebes Kind ... Mir war so bang ... Komm, setz' Dich daher ... Hab' ich Dich durch mein Rufenlassen gestört – Du spieltest vielleicht Karten unten mit den Gästen? Ich will Dich ja nicht lang aufhalten...«
    »O, ich habe keinerlei Sehnsucht, wieder hinunter zu gehen. Der Pfarrei hat meinen Platz am Taroktisch übernommen und Du hast mir den größten Gefallen erwiesen, indem Du mich rufen ließest ... Sind das alle Depeschen?« Rudolf zeigte auf einen Haufen Telegramme, der auf dem Tischchen lag. »Ja, ich habe vorhin alle die Glückwünsche durchgelesen – über zweihundert ... fast überall dieselben Worte. Von hoch und nieder – von ihren einstigen Bonnen und von Erzherzögen: demütig die einen, herablassend die anderen

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