Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
Theater wieder verlassen; für ihn gab es nichts Langweiligeres als musikalische Aufführungen, die nicht durch die Gegenwart seiner Schönen belebt waren.
    Sylvia gab sich dem Genusse des von Bühne und Orchester strömenden Wohllauts hin. Ein schwermütiger Genuß, denn sie fühlte sich zugleich unglücklich – einfach unglücklich. »Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide«; das war der Grundton ihrer Stimmung.
    Sehnsucht – wonach? Nach einem großen Erlebnis, nach – – sie wußte es selber nicht, aber ihre Existenz war so furchtbar öde ... Für immer gebunden an einen nicht mehr geliebten Mann, der sie noch dazu in stadtbekannter Weise betrog ... Warum war es ihr nicht beschieden gewesen, einen Gatten zu finden, mit so weitem geistigen Horizont, mit so tiefem Gemüt, wie z.B. ihr Bruder – ober begabt mit einer schöpferischen Feuerseele, wie – ach nein, es ist besser, an Hugo nicht zu denken. Der Mann könnte ihr gefährlich werden ... Das fehlte noch, daß sie sich verliebte ...
    Der Vorhang war über dem ersten Akt gefallen. Der Saal erhellte sich. Nach einer Weile ging die Logentür auf: es war Bresser.
    An einer heißen Beklemmung, die ihr Atem und Stimme raubte, sodaß sie die Begrüßung ihres Besuchers nur mit einer stummen Gebärde erwidern konnte, wurde Sylvia gewahr, daß die vorhin in Gedanken aufgetauchte Gefahr, daß sie sich verlieben könnte, schon näher war, als sie geglaubt.
    Mit der Fächerspitze deutete sie auf einen Sessel. Dankend machte Hugo von der so erteilten Erlaubnis Gebrauch.
    Daß er seinen Blick mit Bewunderung auf sie heftete, bemerkte sie wohl, und sie hatte das für jedes junge Weib – angenehm anregende Bewußtsein, gerade besonders vorteilhaft auszusehen – en beauté zu sein, wie die bezeichnende Redensart lautet. Sie fühlte ihre Wangen glühen und wußte, daß sie hier im Rahmen der Loge, in ihrem halbausgeschnittenen schwarzen Samtkleid und mit den blitzenden Diamantsternen im gewellten Haar ein hübsches Bild abgeben mußte.
    »Es wundert mich«, sagte sie, »daß Sie nicht vorgezogen haben, ins Burgtheater zu gehen.«
    »Weil ich selber Dramen schreibe, meinen Sie? Um zu lernen?«
    »Um sich Begeisterung, Eingebung für Ihre Kunst zu holen.«
    »Wenn ich das tun will, so gehe ich in die Oper – Musik zaubert mir zehnmal mehr dichterische Stimmung herbei, als ein Schauspiel. Übrigens bin ich heute hierher gekommen, weil ich wußte, daß ich Sie da sehen würde ... Von weitem sehen, denn ich glaubte, Ihre Loge würde so gefüllt sein, daß ich mich nicht hätte eindrängen wollen – Sie waren aber allein –«
    »Ja – sehr«, antwortete Sylvia mit einem unwillkürlichen Seufzer.
    »Sehr allein?« wiederholte Hugo. »Die beiden Worte führt der Sprachgebrauch sonst nicht zusammen – ebenso wenig wie sehr tot, doch – es ist so richtig – im Alleinsein gibt es Steigerungen. Nicht in der Einsamkeit – mitten in der Menge ist man oft am alleinsten. Und das Gegenteil von Alleinsein ist – Zweisein ...«
    »Vorausgesetzt, daß die zwei – eins sind.«
    »Das habe ich sagen wollen.« Eine Pause.
    Dann sprach Sylvia wieder.
    »Ich möchte Sie eines fragen, lieber Bresser. Sind Sie glücklich? Freuen Sie Ihre Erfolge? Und haben Sie in Berlin solche – Zweisamkeit gefunden?«
    »Das war nicht eine Frage, das sind drei Fragen, Frau Gräfin. Glücklich? Nein, ich fühle mich nicht glücklich. Erfolge? Mein Gott, es gibt in meinem Beruf keine Erfolge, auf denen man sich gewissermaßen freudig und ruhig ausatmen könnte ... Es ist, wie wenn man auf einer steilen Leiter hinaufklimmt, man freut sich nicht der erreichten Staffel, sondern strebt ängstlich nach der nächsten, von der man ja wieder ganz herabkollern kann. Und die dritte Frage ...
    »Die nehme ich zurück – sie war indiskret.«
    »Das nicht, aber für Sie ohne Interesse. Ich beantworte sie dennoch: mein Herz ist nicht in Berlin.«
    Wieder öffnet sich die Logentür: – Minister von Wegemann.
    Nachdem er ein paar Worte mit Sylvia getauscht, begrüßt er sehr herablassend den jungen Bresser:
    »Sieht man Sie wieder einmal zu Hause? Das ist schön ... Jetzt bleiben Sie doch da ... ein guter Österreicher kann sich doch nicht immer in Preußen herumtreiben.«
    »Ich bin nur auf kurze Zeit hierher gekommen, Exzellenz.«
    »Deutschland und Österreich sind doch alliiert«, fiel Sylvia ein – »warum sprechen Sie das Wort Preußen so gehässig aus?«
    »Allerdings – verbündet sind wir;

Weitere Kostenlose Bücher