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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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wie um die eigene Eitelkeit zu befriedigen, oder als ob er sich Kritik und Rat holen wollte: – nein, das verhielte sich zu der geträumten innigen Geisteskommunion wie ein Drehorgelstück zu Sphärenmusik – –
    »Ich bin ein schlechter Vorleser«, sagte er. »Die Gräfin wird, wenn sie einmal Zeit hat, in dem Fragment blättern.«
    »Nur ein Fragment?« fragte Martha.
    »Ja, der erste Akt eines Dramas. Mehr habe ich nicht fertig.«
    »Aber doch den Plan der nächsten Akte?«
    »Der ist noch schwankend.«
    Sylvia nahm die Papierrolle:
    »Wenn Sie nicht vorlesen wollen, so werde ich es tun!«
    Sie setzte sich zurecht und schlug das Manuskript auf.
    Wieder durchzuckte der Anblick von Hugos Schrift sie mit der Erinnerung an den heißen Liebesbrief, den er ihr damals geschrieben ... Und tot war ja diese Liebe nicht – das wußte sie – nur zu ewiger Stummheit verdammt. Und doch wieder nicht: einem Dichter kann der Mund nimmer verschlossen werden. Was er einer in direkter Anrede nicht sagen durfte, das konnte er ja – allen vernehmlich und nur einer verständlich – in seinem Gesange aussprechen. Ihr war, als müßte sie nun in dem aufgeschlagenen Hefte gar manche Stelle finden, die an sie gerichtet war, die ihr Leidenschaftliches und Süßes ins Ohr flüstern würde ...
    »Gut«, sagte Hugo, »lesen Sie , Gräfin. Meine Verse von Ihnen zu hören, wird mich ganz eigentümlich berühren und – belehren; ich werde besser beurteilen können, als wenn ich selber lese, wie die Verse klingen ... Wenn es Sie also nicht langweilt, Frau Baronin – –«
    »Mich?« rief Martha lebhaft, – ganz im Gegenteil, ich bin sehr gespannt – lies, mein Kind.«
    Sylvia rückte näher zur Lampe und begann zu lesen. Hugo lehnte sich in seinem Fauteuil so zurück, daß sein Kopf im Schatten des Lampenschirmes verborgen war; sein Blick hing an Sylvias Zügen, deren Spiel bewegt und ausdrucksvoll den ebenso bewegten und ausdrucksvollen Stimmfall begleitete. Das melodische Organ war bei manchen Stellen weich und zitternd und erhob sich bei anderen zu feuriger Kraft, aber beides geschah – nicht in deklamatorischer Absicht, sondern in unwillkürlicher, deutlich verhaltener Ergriffenheit.
    Mit großem Interesse lauschte Martha dem Inhalt des Stückes, mit noch größerem beobachtete sie ihre Tochter.
    An sie gerichtete Worte, wie sie erwartet hatte, konnte Sylvia in den vorliegenden Versen nicht finden, denn von Liebe und Liebessachen war nicht die Rede; aber eine Sprache von solchem Schwung und solcher Schönheit fand sie darin, wie sie es nicht erwartet hatte.
    Kräftig und klirrend wie Trompetenschall, dann wieder sanft und einlullend wie das Plätschern einer mondbeschienenen Fontäne, von wilder Fröhlichkeit wie Mänadentanz und banger Schwermut wie Grabesläuten, so wechselten die Rhythmen, so reihten sich die Strophen in überraschend neuen Wortverschlingungen aneinander – im Schmucke ebenso neuer Bilder von tiefglühenden Farben oder mattschimmerndem Glanz. Und diese ganze Ausdruckspracht als Gewandung erhabener und lieblicher Gedanken, kühnsten Phantasiefluges und leidenschaftlich pulsierender Gefühlskraft. Die Leserin überkam eine genußvolle Bewunderung, wie nur vollendete Kunstwerke sie einzuflößen pflegen; von der Begeisterung, die in diesen Versen vibrierte, strömte Mitbegeisterung in ihre Seele über – sie war gehoben und beglückt. Als sie das letzte Wort gelesen und die Hand, die das Heft hielt, sinken ließ, holte sie einen tiefen, zitternden Atemzug: sie liebte einen Dichter – einen großen Dichter.
    Auch Martha war hingerissen.
    »Wundervoll!« rief sie. »Sie haben eine große Zukunft vor sich, Bresser. Und, Sylvia, ich muß sagen – Du trägst sehr schön vor.«
    Die beiden anderen blieben stumm. Nach einer Weile ergriff Martha von neuem das Wort, um von der Handlung des eben gelesenen Dramenfragments zu sprechen und zu fragen, wie dieselbe sich weiter entwickeln werde.
    »Einen ursprünglichen Plan habe ich verworfen, während dieser Akt entstand – also kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, wie ich die Handlung weiterführe. Eine ganz neue Wendung hat sich mir – durch die zufällige Eingebung einer einzigen Reimzeile – aufgedrängt – und das muß nun erst reifen, ehe ich überhaupt an dem Stücke weiterarbeiten kann.«
    »Das also sind die geheimen Vorgänge des Schaffens?« sagte Martha nachdenklich.
    »Ich denke«, erwiderte Bresser, »daß diese Vorgänge bei jedem Künstler andere

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