Martha's Kinder
das ganze Brunnhof, dessen einstiger Herr er geworden wäre, war ihr der schmerzlichen Erinnerungen voll und sie verließ es nicht ungern.
Graf Max Dotzky, Rudolfs Vetter und nächster Anwärter auf das Fideikommiß, diente beim Handelsministerium. Ganz vermögenslos, war er darauf angewiesen, von seinem Gehalt zu leben, und nur durch peinlichste Sparsamkeit gelang es ihm, sich von Schulden frei zu halten. Seinen Amtspflichten kam er mit größtem Eifer nach, denn es war sein Ehrgeiz, in der Laufbahn rasch vorzurücken, um nach einigen Jahren einen Rang zu erreichen, dessen Bezüge es ihm ermöglichen würden, das Mädchen heimzuführen, das er schon seit Jahren liebte. Ihrerseits war Elsbeth von Reis, Tochter des verwitweten Feldzeugmeisters Baron Reis, fest entschlossen, und wenn es auch zehn Jahre dauern sollte, darauf zu warten, daß Max zum Sektionschef oder doch zum Hofrat avanciere, um dann seine Frau zu werden. Unter den jetzigen Umständen war auf die väterliche Einwilligung nicht zu hoffen, und die jungen Leute sahen selber ein, daß es unmöglich war, sich einen Herd zu gründen. Diesem Vetter galt Rudolfs erster Besuch nach seiner Rückkehr in die Heimat. Er suchte ihn in seinem Bureau im Handelsministerium auf. Die beiden jungen Männer kannten sich nur wenig, sie waren höchstens ein halb dutzendmal flüchtig zusammengekommen, daher war Max sehr erstaunt, als ihm der Amtsdiener den Besuch des Majoratsherrn meldete. Max war allein im Bureau. Er hatte sich eben müde gearbeitet an der Durchsicht eines besonders langweiligen Aktenstoßes. Aus besonderem Pflichteifer hatte er dies Jahr auf seinen Sommerurlaub verzichtet und die Hitze der Stadtluft drückte ihn nieder. Die Arbeit ging nur mühselig vom Fleck. Er war in trüber, physisch und moralisch unbehaglicher Stimmung.
Beim Eintritt seines Vetters ging er diesem einige Schritte entgegen. »Was verschafft mir die Ehre Deines Besuchs?« fragte er, Rudolf die Hand reichend.
Im selben Alter wie Rudolf, sah er jedoch viel älter aus; einige weiße Haare zeigten sich schon im blonden Spitzbart und an den Schläfen. Die Gesichtszüge, trotz der augenblicklichen Mißlaune, spiegelten große Gutmütigkeit – im ganzen eine sympathische Erscheinung. »Eine wichtige Angelegenheit, mein Lieber«, antwortete Rudolf.
»Bitte, bitte – steh' zu Diensten ... willst Du Dich setzen?«
Er selber ließ sich wieder vor seinem Schreibtisch nieder und schob den Aktenstoß beiseite.
»Ich bin ganz Ohr.«
Dadurch, daß Rudolf seinen Sohn verloren hatte, war nun wieder Max der nächste Anwärter auf das Majorat ... doch diese Tatsache hatte keinen besonderen Wert; denn einmal war ja Rudolf nicht älter, zweitens war es nur allzuwahrscheinlich, daß er wieder heiraten und noch Söhne bekommen würde. Immerhin eine mißliche Einrichtung, diese Majorate, denn nicht immer kann ein Anwärter beim Anblick des Besitzers den Gedanken abwehren: Wenn Du plötzlich stürbest, so wäre ich ein reicher Mann ... Nein, an das hatte Max nicht gedacht! aber doch – nicht ohne leises Neidgefühl – an Brunnhof und die sonstigen Reichtümer, die der andere sein eigen nannte, während er – –
Rudolf hatte sich in einen seitlich vom Schreibtisch stehenden Lehnstuhl bequem zurückgelehnt und ein eigentümliches Lächeln zitterte um seinen Mund. »Ich will vom Majorat mit Dir reden«, begann er, als hätte er des Vetters Gedanken erraten.
»So? Und Was denn?« Max dachte, es handle sich um irgend eine Geschäftstransaktion, bei der die Einwilligung des Anwärters erforderlich wäre.
»Du weißt doch, woraus es besteht? Die Herrschaft Brunnhof in Niederösterreich; die Herrschaft Nagykyral in Ungarn; das Palais in der Wallnerstraße, die Sammlungen, der Familienschmuck; – kurz, das Ganze hat einen Wert von ... nun, Du wirst es wohl wissen ...«
»Ja, und daneben besitzest Du bedeutendes Privatvermögen und wirst noch ein reichliches Erbe von Deiner Mutter erhalten ... Du stehst, pekuniär nicht schlecht.«
»Nein. Und Du?«
»Ich? Ich besitze meinen Gehalt und – als Erbschaft von meinem Vater – ein paar tausend Gulden Schulden, die ich mich verpflichtet habe, nach und nach abzuzahlen.«
»Das ist schön von Dir. Wie steht es mit Deiner Heiratsabsicht?«
»Die kann noch zehn Jahre auf Erfüllung warten.«
»Das ist lang ... Fräulein v. Rels, die jetzt schon achtundzwanzig Jahre alt sein mag, wird dann etwas verblüht sein ...«
»Mein lieber Rudolf, Du hast mich noch
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