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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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bestritt er. Ideen und Taten sind eben mit Elemente der Kultur, sind – nicht die einzigen, sind aber auch die treibenden Kräfte. Gewiß, Entdeckungen und Erfindungen verwandeln das Getriebe der Welt; aber das Auftreten mächtiger Charaktere – im Guten und im Bösen – bestimmt es nicht minder. Und vor allem: die Summe der Einsicht, die aus der Summe der Kenntnisse resultiert, regelt die Einrichtungen und Sitten der menschlichen Gesellschaft; wer also irgend eine klare Einsicht gewonnen – über manche kommt es ja wie eine Erleuchtung – der soll es hinaustragen, damit jene Summe sich mehre. Rudolfs klare Einsicht war die: Das Elend – in seinen verschiedenen Formen – kann aus der Welt geschafft werden und muß daher aus der Welt geschafft werden. Die Erlangung der Seligkeit für jeden (das haben auch die Religionen so hingestellt) ist eines jeden Pflicht. Aber wie? Kraft welcher Gebote und auf Grund welcher Glaubenssätze? Das hat – wenn es um das irdische Heil sich handelt – die Gesellschaftswissenschaft zu erforschen und zu lehren. Einige der Gebote sind längst – auch von den alten Religionsstiftern – schon gefunden. Die goldene Regel zum Beispiel: Was Du nicht willst, daß Dir geschehe, das tue auch einem anderen nicht; Du sollst nicht töten, nicht stehlen, nicht falsches Zeugnis geben. Was aber die neue Einsicht und die neue Pflicht ist, das ist, daß diese Regeln ebenso für das politische und internationale Leben zu gelten haben, wie für die Lebensführung des einzelnen.
    Und welche Dogmen? Das wichtigste Dogma des sozialen Glaubens ist die Evolution. Wenn man glaubt, – nein, wenn man weiß (die kontrollierbaren Offenbarungen der Wissenschaft erzeugen »wissen«, nicht »glauben«), daß die Welt und alles, was in ihr sich entwickelt – trotz Entartung und Vernichtung der Einzelorganismen – zu immer höheren, feineren und vielfältigeren Formen sich entfaltet, so wird man diese ewigen Hemmungen und Bekämpfungen aufgeben, mit denen man jetzt jedes sich entfalten wollende Neue, statt zur Quelle der Freude und des Gewinns, zur Quelle des Leidens, der Unterdrückung und der Verfolgung macht. Die Entwicklungsgesetze erkennen und danach die Gesellschaftsordnung und das sittliche Verhalten regeln: – das ist der Weg zum Heil.
     
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    Rudolf hatte während seiner Abwesenheit fast täglich an seine Mutter geschrieben und ihr von allen seinen Arbeiten und Plänen Mitteilung gemacht. Die Nachricht, daß er auf das Majorat verzichten wollte, versetzte ihr einen gelinden Schlag. Welche Mutter wird leichten Herzens erfahren, daß ihr einziger Sohn sich des Glanzes und des Reichtums begeben will, der sein Besitz ist? Martha hatte der stillen Hoffnung Raum gegeben, daß Rudolf nach Verlauf einiger Zeit den Verlust verwinden werde, den er durch den Tod der Seinen erlitten hatte, und sich wieder verheiraten würde – und vielleicht mit einer Frau, die ihm geistig ebenbürtiger wäre, als es die arme Beatrix gewesen ... Sein Entschluß aber deutete darauf hin, daß er nicht daran dachte, sich jemals wieder einen Herd zu gründen, sondern daß er sich von allen Fesseln – also auch von Familienfesseln – freimachen wollte, um sich ganz seinem Apostolate hinzugeben.
    Die Größe dieser Opfertat erfüllte sie nun auch mit stolzer Bewunderung: Ihr Rudolf war es, der so hingebungs- und entsagungsvoll handeln wollte, im Dienste dessen, was ihr Friedrich erstrebt und was sein Beispiel und sein Andenken in des Knaben Seele gepflanzt hatte ...
    Noch vor Rudolfs Rückkunft verließ sie Brunnhof, um ihren ständigen Wohnsitz auf ihrer ererbten Besitzung, Grumitz in Mähren, zu nehmen. Dorthin überführte sie alle die teuern Andenken an ihren Toten – Bilder, Bücher, Möbel – mit denen sie sich stets umgab.
    In einer Richtung war es ihr sogar lieb, von Brunnhof wegzugehen. Der Ort erinnerte zu sehr an den zuletzt durchlebten Kummer, an das Sterben der armen jungen Frau und ihres lieben kleinen Enkelsohnes. Sie hatte den Knaben so zärtlich in ihr Herz geschlossen, so schöne Zukunftshoffnungen auf sein Haupt gesetzt. Er, der im zwanzigsten Jahrhundert jung sein und in voller Kraft in neueren besseren Zeiten leben würde – der Erbe von Friedrichs und Rudolfs Ideen – er würde deren Sieg wohl sehen, er würde vollenden, was sein Vater begonnen. Diese Träume waren verweht, zerstoben ... Jeder Platz im Garten, wo der Kleine gespielt hatte, jedes Zimmer im Hause, wo sein helles Stimmchen schallte,

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