Martha's Kinder
überall das Dotzkysche Wappen (in gespaltenem Felde drei schräglinke blaue Sterne und hinten ein zugekehrter silberner Schlüssel. Auf dem gekrönten Helme mit rechts rotsilberner und links blaugoldener Decke zwei auswärts geschrägte silberne Schlüssel vor einem rot mit Pfauenfedern besteckten Spiegel zwischen offenem, vorn silbernen und hinten roten Fluge), – kurz, der ganze Aufwand von Pracht und Prunk und Eitelkeit, der in den Schlössern reicher und alter Adelsfamilien zu herrschen pflegt.
Mehr als vierzig Personen, im Abendanzug, saßen um den Tisch. Martha hatte den Sitz der Hausfrau, Rudolf den des Hausherrn inne. Rechts von Baronin Tilling saß Max Dotzky, und zur Rechten Rudolfs – Fräulein Elsbeth von Rels. Den Feldzeugmeister von Rels hatte Martha an ihre linke Seite gesetzt und seine andere Nachbarin war Sylvia Delnitzky. Die Familie Ranegg war, mit Ausnahme der in Konstantinopel weilenden Tochter Christine, vollzählig erschienen. Von alten Freunden des Hauses waren außerdem anwesend: Minister Wegemann, Graf Kolnos, Oberst von Schrauffen, der alte Bresser und Pater Protus.
Das Diner – in acht Gängen – war zu Ende; man knabberte nur noch an den Süßigkeiten des Nachtischs. Auf ein Zeichen des Herrn füllten die Diener noch einmal die Champagnerkelche und verließen dann alle den Saal. Rudolf klopfte mit dem Messer an sein Glas und die lebhaften laut durcheinander summenden Tischgespräche verstummten mit einem Schlage.
Ohne aufzustehen, aber mit erhobener, deutlich vernehmbarer Stimme begann Rudolf zu reden:
»Meine lieben Freunde und verehrten Gäste. Sie alle wissen, daß unser heutiges Beisammensein einem ganz besonderen Anlaß gilt ... einem ungewöhnlichen Anlaß. Manche hier sind genau unterrichtet, um was es sich handelt – den anderen wird es eine Überraschung sein.
Ehe ich die Sache verkünde, möchte ich einen kurzen Rückblick in die Vergangenheit werfen – vielleicht findet sich da teilweise eine Erklärung für das, was Sie nun hören sollen ... Ich erinnere mich – und mehrere unter Ihnen werden sich auch erinnern – an ein Festmahl, das uns um diese selbe Tafel versammelt hat – zur Taufe meines armen kleinen Fritz ...«
Rudolf hielt einen Augenblick bewegt inne und auch durch den Kreis seiner Hörer ging eine Bewegung, ein leises Beileidsgemurmel.
Er holte tief Atem und fuhr fort: »»Es lebe die Zukunft!« toastierten wir damals. Die Zukunft aber, die mein Sohn verkörpern sollte, die ist ins Grab gesunken ... Es war ein großer Schmerz, so groß, daß ihn meine Beatrix nicht überleben konnte ... Mein ganzer häuslicher Herd ist eingestürzt.« Das teilnahmsvolle Gemurmel wiederholte sich – einige unter den Frauen führten ihr Taschentuch an die Augen. »Doch, als ich damals auf die Zukunft trank, hatte ich nicht die Zukunft meines Hauses – ich hatte die Zukunft unseres ganzen Geschlechts – des Menschengeschlechts, im Sinn, an der wir alle, bewußt oder unbewußt, mitarbeiten – an der ich bewußt und in bestimmter Absicht mitarbeiten will. Und dazu will ich ganz ungebunden sein ... Ohne weitere Umschweife: ich habe auf das Dotzkysche Majorat verzichtet und dessen nächsten Anwärter, meinen Vetter Maximilian in meine Rechte eingesetzt.«
Ein noch lauteres Murmeln – diesmal staunenausdrückendes – erhob sich, verstummte aber sogleich wieder, als Rudolf aufstand und sein Glas erhebend weiter sprach:
»Ich bitte Sie also, in Graf Maximilian Oskar Dotzky von Donaschits, Herrn auf Brunnhof und Nagykyral, meinen Nachfolger zu sehen und auf sein Wohl, sowie« – er verneigte sich zu seiner Nachbarin zur Rechten – »auf das Wohl seiner Braut, Fräulein Elsbeth von Rels, mit mir anzustoßen.«
Laute Ausrufe folgten. Alle waren aufgestanden, man stieß mit den Brautleuten an und wünschte ihnen Glück. Auch mit Rudolf wurde angestoßen. Dabei veränderten sich aber die gratulierenden Mienen in halbwegs kondolierende.
Rudolf war der erste, der sich wieder auf seinen Sessel niederließ und abermals gab er das Zeichen, daß er sprechen wollte. Da setzten sich auch die anderen und allgemeines Schweigen war bald hergestellt.
»Ich will keinen neuen Toast ausbringen, meine Freunde, keine Tischrede halten; aber sagen will ich Ihnen, was meine Abdankung bedeutet und bezweckt ... Haben Sie etwas Geduld mit mir. Vorträge zu halten gehört zu meinem Zukunftsprogramm, und dies soll mein Jungfernvortrag sein –
Versteht sich, wenn ich einmal auf ein Podium
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