Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
niemals aufgesucht ... und wenn Du es nur tust, um mir so unangenehme Dinge zusagen ... um zu protzen, wie reich Du bist, und mich zu verhöhnen, wie arm ich bin, so ist das doch –«
    »Verzeih: Protzerei und Hohn sind nicht meine Motive ... aber den Kontrast rücke ich absichtlich ins Licht – es macht mir Freude ...«
    »Danke schönstens« murmelte Max.
    »Und wird Dir noch eine größere machen. Hör' mich an – ich werde Dir etwas Merkwürdiges sagen ... Ich will –«
    Er hielt inne. Auf den Augenblick, der jetzt kommen sollte, hatte er sich schon lange gefreut.
    »Also? Was willst Du?«
    »Ich will auf das Majorat verzichten und Du trittst an meine Stelle.«
    Max Dotzky sprang auf und griff mit beiden Händen, an seinen Kopf.
    »Bin ich verrückt – oder bist Du's?«
    »Bitt' Dich, setz' Dich nur wieder nieder. Ich bin bei Vernunft und spreche im Ernst. Und ich genieße die Situation ... Ich weiß, daß ich Dich unbändig glücklich mache. Das ist zwar auch nicht das Motiv meiner Tat ... das liegt tiefer: ich tu's nicht Dir, sondern mir selber – meinem Lebenszweck zuliebe; aber an Deinem Glück werde ich mich doch ergötzen. Es ist ein gar seltenes und ja großartiges Schauspiel, ein Mensch in wahnsinniger Freude – Deine erste Idee war ja, daß Du verrückt geworden – und doppelt angenehm ist dieses Schauspiel, wenn man dessen Urheber ist ... Zu Deiner Hochzeit lade ich mich als Trauzeuge ein – natürlich heiratest Du noch in diesem Jahr und ziehst, gleich in Brunnhof ein ... Du bist ja ganz starr und sprichst nichts?«
    Max, der sich wieder auf seinen Sessel geworfen hatte, saß bewegungslos da.
    »Und was mich auch befriedigt«, fuhr Rudolf fort, »ist das Bewußtsein, daß Du ein braver, ehrenwerter Mensch bist und daß Du dem Hause Dotzky als dessen Oberhaupt Ehre machen wirst. Wenn Du und Elsbeth Rels in Brunnhof regieret, so werde ich wissen, daß mein einstiger Besitz in gute Hände gelangt ist.«
    Max war es zumute, als hätte er einen Schlag vor die Stirn bekommen. Die Gedanken wirbelten ihm im Kopf herum, und so sehr er sich mühte, fassen konnte er das Gehörte – Unerhörte – nicht. Es mußte ja, wenn es wahr war, und wenn er es erst ganz gefaßt hatte, ihn ganz unsäglich glücklich machen, das wußte er, – aber das Glücksgefühl selber konnte nicht das Gefühl des unbändigen, mit Zweifeln gemischten Staunens verdrängen, das ihn erfüllte. Endlich fand er Worte:
    »Rudi ... Wundermensch ... reiß' mich aus diesem Traum – schwöre, daß es Wirklichkeit ist – oder gestehe, daß es ein Spaß war, ein verzweifelt schlechter Spaß ...«
    »Du hast recht, der Witz wäre matt. Es ist keiner – es ist die volle Wahrheit – hier mein Handschlag darauf. Noch einige Formalitäten und der Herr des Dotzkyschen Fideikommiß' bist Du.«
    »Mein Gott, mein Gott, mein Gott!« rief der andere. Dann vergrub er sein Gesicht in beide Hände und atmete heftig. Rudolf betrachtete ihn schweigend und weidete sich an der Tiefe seiner Ergriffenheit. Das war also ein von Freude überwältigter Mensch! ... Dem Spender dieser Freude war's ein genußreicher Augenblick; es gewährte ihm – wie ja alles Große, Volle, Übergewöhnliche zu erwecken pflegt – ein ästhetisches Entzücken.

XVIII.
    Die gerichtlichen und geschäftlichen Transaktionen der Besitzesübertragung waren erledigt.
    Zur feierlichen Übergabe veranstaltete Rudolf ein kleines Fest in Brunnhof, welches zugleich ein Abschiedsfest sein sollte, bei dem er seine Familie und Freunde zum letzten Male auf dem alten Herrensitze um sich versammelte.
    Die Tafel war im großen Speisesaal gedeckt. Der Spätherbsttag hatte empfindliche Kälte gebracht und im Monumentalkamin brannten ganze Stamme knisternden Fichtenholzes. Vom Kronleuchter flutete das Licht von achtundvierzig Wachskerzen herab, und noch sechs silberne Kandelaber (auch Stücke des zum Majorat gehörigen Familiensilbers), die zwischen den Aufsätzen auf der Tafel standen, und zahlreiche Lampen auf den Pfeilertischen vervollständigten die Beleuchtung. Kostbare alte Gobelins an den Wänden; kunstvoll geschnitzte Eichenholzmöbel in gotischer Form; der Tafeldienst besorgt von einem Haushofmeister in Frack und weißer Krawatte, zwei Büchsenspannern mit silbernen Epauletten und Bandelieren und vier Lakaien in Galalivreen in Schuhen und Strümpfen. Auf die Menükarten gemalt, auf die Porzellanteller eingebrannt, in die Bestecke und Gläser graviert, in den Damast des Tischzeugs gewebt:

Weitere Kostenlose Bücher