Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
war sie von einer Ausfahrt heimgekommen – auf ihren Wangen lag frisches Rot und die Augen funkelten.
    In einer halben Stunde sollte er kommen, doch schon jetzt ertönte die Klingel.
    Ein Besuch? Nun, die Losung war gegeben, niemand anderer sollte vorgelassen werden als Bresser – und Anton war von Wien abwesend.
    Die Tür ging auf und der Diener überreichte auf silberner Platte ein Telegramm.
    Jedenfalls eine Absage von Bresser ... An der bittern, schmerzlichen Enttäuschung, die ihr dieser Gedanke verursachte, erkannte sie erst, wie sehr sie sich auf den bevorstehenden Besuch gefreut.
    Die Depesche war aber nicht von Bresser und betraf etwas ganz Gleichgültiges. Jetzt freute sie sich doppelt und mit vollem Bewußtsein. Die Furcht, daß das Wiedersehen irgend einen Mißton bringen könne, war nun verflogen – vielmehr eine Erfüllung sollte es werden, ein Löschen des brennenden Durstes ihrer Seele.
    Sie ging ans Klavier und spielte leise die Sonnenaufgangshymne aus dem Propheten. Diese Melodie war ihr seit jenem Theaterabend die Zauberformel geblieben, mit der sie sich jederzeit die Gegenwart ihres Dichters herbei beschwören konnte, als atmete sie seine Nähe.
    Vom Klavier ging sie in ihre gewohnte Ecke, wo neben der Chaiselongue ein drehbares Lesetischchen stand. Sie setzte sich und nahm ein Buch zur Hand. Der Band »Gedichte von Hugo Bresser« öffnete sich von selber auf der Seite, die sie gewollt. Auch da fand sie eine Beschwörungsformel – eine gewisse Strophe voll Wohllaut und voll Schwung.
    Aber sie legte das Buch wieder weg. Sie durfte doch nicht bei dieser Lektüre sich finden lassen – das hätte wie eine plumpe Absichtlichkeit geschienen. Sie ließ die Hände herabfallen und schloß die Augen. Nicht spielen, nicht lesen wollte sie – nur so dasitzen, das holde Bangen der Erwartung genießend, dem eigenen Herzen lauschend, wenn manchmal ein beschleunigter Schlag ihr bis in die Kehle drang – wie süß das war ...
    Noch war die halbe Stunde nicht verflossen – und wieder ertönte die Klingel.
    Sylvia sprang auf; sie fühlte, daß sie erbleichte.
    Bresser trat über die Schwelle und verneigte sich ehrerbietig; sie blieb – eine Weile regungslos – auf ihrem Platz stehen.
    Durch den zeremoniellen Gruß und den Ton seiner Stimme »Gnädigste Gräfin« kam sie zur Besinnung, und – ganz Weltdame, die einen willkommenen fremden Gast empfängt – ging sie ihm ein paar Schritte entgegen und reichte ihm die Hand zum Kusse.
    »Wie ich mich freue, Sie wieder zu sehen, Herr Bresser – werden Sie nun eine Zeitlang in Wien bleiben? Bitte, setzen Sie sich ...« und sie selber ließ sich auf ihren gewohnten Platz neben dem Lesetischchen nieder ... »Sehen Sie« – lächelnd – »ich habe hier Ihren Gedichtenband – aber Sie dürfen nicht glauben, daß ich ihn nur im Hinblick auf Ihr Kommen hierher gelegt, ich ...«
    Sie stockte. Denn Bresser ging weder auf ihren förmlichen, noch auf den scherzenden Ton ein; er blieb stumm und auch den angebotenen Sitz hatte er nicht angenommen; sein Gesicht zeigte tiefe Bewegung, die Augen hielt er mit zärtlichem Vorwurf auf sie geheftet – sie fühlte, daß er von ihrem Empfang enttäuscht war.
    Das war er im Anfang auch gewesen; aber wie sie jetzt so stockte, wie unter seinem Blicke auch in ihren Augen es zärtlich zu schimmern begann, da verstand er, daß diese angenommene Gleichgültigkeit nur ein Schleier – ein für ihn jetzt durchsichtiger Schleier war, den sie über den sonst zu grellen Glanz ihrer gegenseitigen Wiedersehensfreude geworfen hatte. Eigentlich nach all den getauschten Gedanken und getauschten Empfindungen, nach der Sehnsucht, die sich in dem verflossenen Jahr von einem zum andern gesponnen, hätten sie ja einfach sich in die Arme sinken müssen: – o Du, Du ... seh' ich Dich endlich! – Da dies aber nicht sein konnte, so war diese Art wohl die beste gewesen; sie wußten ja doch beide, was unter dem Schleier verborgen war.
    So wollte er denn ihrem unausgesprochenen Befehl gehorchen und, indem er sich setzte, sagte er, einen unbefangenen Ton erzwingend:
    »Ob ich längere Zeit in Wien bleibe, Gräfin? Das hängt von Umständen ab. Der Direktor des Burgtheaters, dem ich mein Drama eingereicht, hat mich zu einer Unterredung bestellt. Vielleicht handelt es sich um Änderungen – angenommen ist das Stück – vielleicht auch schon um den Beginn der Proben; da müßte ich allerdings hier bleiben.«
    »Was – ein Stück an der Burg – und davon

Weitere Kostenlose Bücher