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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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leiser Schrei ausgestoßen worden. War denn sein Besuch gar so überraschend? Sonst war er ja ein häufiger Gast in diesem Hause gewesen und diesen gemütlichen runden Tisch kannte er ganz gut, um welchen die Raneggschen Damen in den Nachmittagsstunden zu sitzen pflegten, mit Lektüre, Handarbeiten und Korrespondenz beschäftigt. War er denn, seit seinem Auftreten, ein gar so exotisches Geschöpf geworden, daß sein Erscheinen erschreckte, wie das des steinernen Gastes?
    Die Gräfin aber reichte ihm mit sichtlicher Freude die Hand.
    »Setzen Sie sich her zu uns, Graf Rudi ... Es ist wirklich schön von Ihnen, daß Sie bei Ihren neuen, großartigen – (sie suchte nach einem passenden Ausdruck, fand aber keinen) hm, Sachen die alten Freunde nicht vergessen.«
    »Ach, meine großartigen Sachen«, antwortete Rudolf lächelnd, indem er sich setzte, »werden wohl viele alte Freunde mir entfremden, nicht mich ihnen.«
    Er blickte Cajetane an und war erstaunt, sie so blaß zu sehen, blaß bis in die Lippen.
    »Ich war am Sonntag verhindert, Sie anzuhören«, sagte die Gräfin – »aber die Caji war dort mit den Blaskowitz' – sie war ganz entzückt.«
    Jetzt war das Gesicht des jungen Mädchens mit Purpur übergossen.
    Rudolf schüttelte den Kopf.
    »Entzückt? Das Wort scheint kaum zu passen. Die Frage ist: waren Sie einverstanden?«
    Cajetane nickte.
    »Ja«, sagte sie leise und fügte hinzu: »Neue Horizonte haben sich mir eröffnet ... es war schön.«
    Rudolf ergriff ihre Hand:
    »Danke, Gräfin ... Das ist das erste Beifallswort, das mich erfreut. Ja, darum handelt es sich: neue Horizonte – die sollen der Gemeinde aufgehen, wenn der Prediger von einem gelobten Lande spricht.«
    »Prediger?« fiel Christine ein. »Hören Sie, Graf Rudi, so heilig fassen Sie nicht alle Ihre Zuhörer auf. Ich kenne mehrere, die nennen Sie Agitator.«
    »Beweger? Auch kein schlechter Name. Ich wollte, ich könnte die Menschen aufrütteln.«
    »Nehmen Sie mir's nicht übel«, sagte die alte Gräfin, »aber vom Rütteln bin ich keine Freundin.«
    »Das weiß ich, Exzellenzfrau.«
    »Sie wollen sagen, daß ich so konservativ bin, weil ich die Frau eines Geheimen Rates bin? O nein – sondern überhaupt ... es ist doch nicht gemütlich, wenn der Boden, auf dem man steht, zum Zittern, die Säulen, an die man sich lehnt, zum Wanken gebracht werden, nicht wahr?«
    »Wo jetzt der Ring steht, da stand noch vor vierzig Jahren die Bastei. Hätte niemand an den Basteimauern rütteln dürfen, so wäre hier nicht Ihr schönes Haus erbaut worden –«
    »Ist das aber ein Grund, um mir mein Haus gutwillig zerstören zu lassen? Das können Sie doch nicht von mir verlangen?«
    »Nein, das kann ich nicht verlangen. Sehe ich aber wirklich danach aus, als ob das meine Absicht wäre? Wie man doch immer die stillen Aufbauer, die an Stelle des Verfallenden neues Material herschaffen wollen, mit gewalttätigen Zerstörern verwechselt! Was ich bringen wollte, ist ein bißchen Licht, ein bißchen Liebe –«
    »Verzeihen Sie, lieber Dotzky, das sind doch keine neuen Sachen. Haben wir nicht Licht genug in der Offenbarung und Liebe genug in unserer schönen Religion? Wenn die Leute nur wirklich fromm wären, aber leider sind sie's zu wenig von Natur und werden dann auch noch irre gemacht von allen den sogenannten Aufklärern.«
    »Womit Sie mich meinen?«
    »Ach, nur nicht streiten!« rief Christine.
    Cajetane seufzte. Ihr war die Wendung, die das Gespräch genommen hatte, offenbar peinlich und darum beeilte sich Rudolf, es abzulenken, indem er sich um das Befinden der Söhne Ranegg erkundigte.
    »O, es geht ihnen prächtig ... die Kriegsschule glänzend absolviert ...« Auf dieses Thema gebracht, sprudelte die Rede der Gräfin in vergnügtester Weise weiter. Von den frohen Nachrichten über die militärischen Erfolge ihrer Söhne ging sie zum Schicksal ihrer verheirateten Tochter über und da gab's auch nur Erfreuliches zu berichten: Familienzuwachs, eine Erbschaft, interessante Reisen – kurz ein rosa in rosa gemaltes Bild des Lebens.
    Und in dieser Art Leben – so flog der Gedanke durch Rudolfs Sinn – hätte ich meinen Platz bewahren können: Sorgenlosigkeit, Familienfreuden, genußreiche Erlebnisse ... und statt dessen – –
    »Und hören Sie,« fuhr die Gräfin fort, »ich will Ihnen etwas anvertrauen ... in wenigen Tagen soll's ja doch offiziell –«
    »Aber Mama!« unterbrach Christine.
    »Schad't nichts – eine Woche lang wird der Rudi schon

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