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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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fernen Heroldsruf des Morgen ...
    Als letztes Wort wiederhole ich also mit tiefster Zuversicht mein erstes: es wird besser.
    Aber mithelfen müssen wir dabei!«
    Der Vortrag war zu Ende. Im Saale wurde geklatscht – nicht übermäßig, und das Publikum strömte den Ausgängen zu.
    Rudolf stand im Künstlerzimmer, wo ihn einige Freunde beglückwünschten. Mit Kopfschütteln wehrte er die Komplimente ab. Er fühlte sich unbefriedigt und abgespannt.

XXVI.
    Rudolf war vom Musikvereinssaal direkt nach Hause gefahren, ohne auch nur mit seiner Mutter gesprochen zu haben. Er sehnte sich danach, allein zu sein und auszuruhen.
    Die Sache hatte ihn heftiger aufgeregt als er sich's vorgestellt. Beim Auftreten war er ganz ruhig gewesen; als aber während des Sprechens ihm zweierlei klar wurde: nämlich, daß ihm die Macht fehlte, alles so zu sagen, wie er wollte, und daß, was er sagte, teils nicht verstanden, teils mit zwar schweigendem, aber feindseligem Widerspruch aufgenommen wurde, da hatte sich seiner eine Aufregung bemächtigt, die peinlich und bitter war – so bitter, daß ihm davon in der Tat ein bitterer Geschmack im Gaumen blieb.
    Im Bette warf er sich hin und her und konnte keinen Schlaf finden. Er versuchte, sich zu erinnern, was er gesprochen, und korrigierte daran herum: dies und jenes hätte er sagen sollen. Dabei verlor er aber immer wieder den Faden und mußte von vorn anfangen.
    Erst gegen Morgen verfiel er in einen fieberhaften Schlummer und als er um halb neun Uhr erwachte, fühlte er heftigen Kopfschmerz. Das gewohnte kalte Bad erfrischte ihn.
    Auf dem Frühstückstisch fand er die Zeitungen. Natürlich galt sein erster Blick den Berichten über den gestrigen Abend. Nicht ob Lob oder Tadel darin enthalten war, interessierte ihn, sondern ob der Inhalt seiner Rede in einem guten Auszuge wiedergegeben, ob sein Gedankengang, wennschon nicht vom Publikum, so doch von den anwesenden Journalisten richtig aufgefaßt worden war.
    Das war nicht der Fall. Einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene Phrasen; mitunter auch ganz entstellte Zitate und als eigenen Kommentar dazu die unter herablassendem Lob versteckte Andeutung, daß man es mit einem wohlmeinenden, aber die rauhen Wirklichkeiten des Lebens ignorierenden Idealisten zu tun habe. In solchen Wendungen hat das Wort Idealismus den Klang von Unvernunft. Die ernsten Praktiker haben nur ein gerührtes Lächeln dafür.
    Ein einziges Blatt brachte einen richtigen, die wichtigsten Punkte hervorhebenden Auszug und fügte ein begeistertes » habemus prophetam « hinzu.
    Neben den Zeitungen lag auch ein Briefchen in der gewissen verstellten Handschrift der Unbekannten. Es war vom vorigen Abend datiert:
    »Ich bin überwältigt. Als Sie das Podium betraten, war mir, als drehe sich der Saal um mich herum; alle Lichter tanzten – ich war in eine andere Welt entrückt. Da stand ein Mann, der entsagungs- und begeisterungsvoll für eine edle Sache – die Sache des Menschheitsglücks – seine Person einsetzt ... So gibt es also doch noch Größe in der Welt, – gibt es Menschen, die über die Massen der Alltagsleute hinausragen – und dabei so viel Kraft und Zauber haben. Rudolf Dotzky, ich danke Ihnen, daß Sie mir geoffenbart haben, was dem Leben Wert und Adel gibt, ich danke Ihnen, daß Sie sind, Rudolf Dotzky!«
    Das Briefchen war, wie seine Vorgänger, ohne Unterschrift.
    Rudolf war noch kaum mit der eingegangenen Post fertig, als seine Mutter bei ihm eintrat. Er sprang auf und eilte ihr entgegen.
    »Störe ich Dich, liebes Kind? ... Du bist mir gestern entkommen – und ich muß doch über Deinen Vortrag mit Dir reden.«
    »Es ist wahr – ich habe gestern die Flucht ergriffen – ich war so unzufrieden mit mir und den anderen ... bitte, setz' Dich ... Hier die Blätter – die sind auch nicht zufrieden ...
    »Hab' ich schon gelesen und mich geärgert. Die haben Dich nicht verstanden –«
    »Und Du – welchen Eindruck hattest Du?«
    »Lach' mich nicht aus, Rudolf, aber ich war so sehr »Mutter des Debütanten« – d. h. so von Lampenfieber geschüttelt, daß ich zu gar keinem ruhigen Urteil kam.«
    »Also sogar für Dich war der arme Teufel auf dem Podium – der doch nur im Dienste einer Sache – Deiner Sache dort oben stand, einfach ein – wie soll ich sagen? – ein Konzertredner ... Als solcher habe ich allerdings nicht reüssiert, das fühlte ich gleich.«
    »Nein – kein Konzertredner – ein Kämpfer stand dort oben. So drückte sich Kolnos aus. Der hat

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