Martin, Kat - Perlen Serie
gewappnet, um dich in die Höhle des Löwen zu wa- gen."
Danielle seufzte und stand auf. „Ja, das bin ich wohl." Der bloße Gedanke ließ sie jedoch schaudern. Sie zweifelte nicht da- ran, dass Rafael ihr etwas Bedeutsames mitzuteilen hatte, und danach zu urteilen, wie er sich in letzter Zeit verhalten hatte, würde es wohl kaum etwas Gutes sein.
Wenn doch nur einmal der Tag käme, an dem wir keine Ge- heimnisse mehr voreinander hätten, dachte sie. Dann würde sie ihm ohne Angst und Schuldgefühle begegnen können.
„Wünsch mir Glück", bat sie Caro. Dann raffte sie ihren Rock zusammen, hob unwillkürlich das Kinn ein wenig höher und ging zur Tür.
Als sie die weite Marmortreppe erreicht hatte, hielt sie kurz inne, um nach unten zu sehen. Rafe stand wartend am Fuß der Treppe, und in seinem marineblauen Frack, der dunkelgrauen Hose und der makellosen weißen Halsbinde sah er so atembe- raubend gut aus, dass Danielle das Herz stockte.
Hoch erhobenen Hauptes schritt sie langsam die Stufen hi- nunter und spürte bei jedem Schritt Rafes Blick auf sich ruhen. Seine Augen schienen ihr heute von einem noch tieferen Blau zu sein als sonst, aber vielleicht lag das auch nur an seiner fins- teren Miene ...
Verstohlen betrachtete sie ihn, während er sie in den präch- tigen Speisesaal führte und ihr den Stuhl neben seinem Platz am Kopf der Tafel zurechtrückte.
„Ich habe die Köchin gebeten, uns heute etwas dem Anlass Gebührendes zu bereiten", bemerkte er.
Danielle hob fragend eine Augenbraue. „Und was wäre die- ser Anlass?"
„Ein Dankeschön für das Vergnügen, das du mir letzte Nacht bereitet hast."
Sie sah ihn kurz an und wusste nicht, ob ihr die Vorstellung gefiel, dass er sie dafür entlohnte - und sei es nur mit einem Es- sen. Es gab ihr das Gefühl, eine Frau von zweifelhaftem Ruf zu sein.
Rafe schien sich daran nicht zu stören. Unbefangen plau- derte er während des Mahls mit ihr. Seine Augen wanderten immer wieder zu ihrem Dekollete, und erleichtert stellte sie fest, dass sein Blick wieder jenes Verlangen ausdrückte, das sie so lange vermisst hatte.
Vielleicht war die letzte Nacht doch nicht vergebens gewe- sen ...
Das Abendessen bestand aus einem halben Dutzend Gängen. Es gab Austern in Anchovissoße, Schildkrötensuppe, marinier- ten Lachs und Spanferkel. Danielle brachte jedoch kaum einen Bissen herunter und bemerkte, dass auch Rafe weniger aß als sonst. Nach dem Dessert, einer Vanillecreme mit Mandeln, goss
ihnen einer der Hausdiener noch ein letztes Glas Wein ein, be- vor Rafe die Dienstboten aus dem Speisesaal entließ.
Sobald die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, hob er sein Kristallglas. „Auf die Zukunft", sagte er und sah Danielle unverwandt an.
„Auf die Zukunft", erwiderte sie mechanisch und fühlte er- neut eine tiefe Unruhe in sich.
Rafe nahm einen Schluck, und Danielle tat es ihm nach ... vielleicht trank sie auch etwas mehr, als gut für sie war.
Ohne den Blick von ihr abzuwenden, stellte er sein Glas auf den Tisch, hielt seine Finger jedoch um den langen Stiel ge- schlossen und schwenkte den rubinroten Wein sachte in dem kristallenen Glas.
„Erinnerst du dich noch an das Versprechen, das du mir vor gar nicht langer Zeit gegeben hast?"
Danielle schluckte. „Das Versprechen?"
„Ja, in der Nacht, als ich dich nach der Halskette fragte und du mir gestanden hast, sie Robert McKay gegeben zu haben." Danielle fuhr sich mit der Zungenspitze über ihre trockenen Lippen. „Ich ... ich erinnere mich daran."
„Du hast mir versprochen, mich nie wieder zu belügen."
„Ja ..."
„Aber du hast es dennoch getan, nicht wahr, Danielle?"
Sie zitterte am ganzen Körper und wünschte sich, noch mehr Wein getrunken zu haben. „Was ... was willst du damit sagen?"
„Wann wolltest du mir sagen, dass du keine Kinder bekom- men kannst?"
Danielle glaubte, dass ihr Herz aufgehört hatte zu schlagen. Kalt und schwer lag es in ihrer Brust und schmerzte sie, als würde sie sterben. Alles Blut war ihr aus dem Gesicht gewi- chen.
„Wann, Danielle?"
Sie griff nach ihrem Weinglas, aber Rafe hielt ihre Hand fest.
„Wann wolltest du es mir sagen, Danielle!"
Sie sah zu ihm auf, und Tränen stiegen ihr in die Augen. „Nie- mals ...", flüsterte sie, und dann begann sie zu weinen.
Ihr schmerzte die Brust vor dem Ansturm ihrer Tränen, und sie weinte nicht leise, wie eine Frau, die bei einer Lüge ertappt wurde, sondern schluchzte laut auf und vergoss die bitteren
Tränen
Weitere Kostenlose Bücher