Martin, Kat - Perlen Serie
komisch, aber ich habe ihn tatsächlich aufgehoben ..." Er öffnete die unterste Schublade seines Schreibtisches, schob die Pistole, die er dort aufbewahrte, beiseite und holte eine kleine Schatulle hervor, in der sich der Brief befand. Das Papier war vergilbt und die Schrift verblasst, aber dennoch löste der bloße Anblick erneut tiefe Bestürzung in Rafe aus.
„Vielleicht habe ich ihn aufgehoben, um mir stets vor Augen zu halten, dass ich nie wieder so vertrauensselig sein sollte."
McPhee nahm den Brief und die Liste mit den Namen der Leute, die in den Skandal verwickelt gewesen waren, entgegen.
„Es könnte aber eine Weile dauern bemerkte McPhee.
Rafe erhob sich. „Nachdem ich fünf Jahre gewartet habe, kommt es auf einige Wochen auch nicht mehr an." Aber seltsa- merweise konnte er es kaum erwarten zu erfahren, was McPhee wohl herausfinden würde. Vielleicht hatte er einfach nur das Bedürfnis, einen Schlussstrich unter die ganze Affäre zu zie- hen, die nie wirklich untersucht worden war.
Vielleicht dachte er dabei auch an die Zukunft und an seine baldige Hochzeit. Es schien ihm besser, wenn die Vergangen- heit ein für alle Mal begraben wäre.
Caro half Danielle dabei, ihre letzten Habseligkeiten in den Reisekoffern zu verstauen. Danielle konnte es kaum erwarten,
endlich aufzubrechen.
„Es sieht ganz so aus, als seien wir mit allem fertig", verkün- dete Caro strahlend. „Bist du bereit?"
„Mehr als bereit. Und du?"
Caro lachte fröhlich. „Ich sitze schon seit Tagen auf gepack- ten Koffern."
„Und Tante Flora?"
In diesem Moment eilte Danielles Tante herbei. Einzelne Strähnen ihres silbergrauen Haars hatten sich gelöst und weh- ten ihr um das rundliche Gesicht. „Von mir aus können wir aufbrechen, meine Lieben."
Auch für Tante Flora war Caroline Loon fast zu einem Mit- glied der Familie geworden, weshalb Danielle einmal vorge- schlagen hatte, dass Caro nicht länger als Zofe für sie arbeiten, sondern einfach ihre Gesellschafterin sein solle.
Caro war entsetzt gewesen. „Ich will keine Almosen, Danielle. Du und Lady Wycombe wart immer sehr freundlich und groß- zügig zu mir, aber ich möchte für das, was ich bekomme, auch arbeiten."
Danach hatte Danielle das Thema nie wieder angesprochen. Caro war glücklich über ihre Arbeit, und Danielle war glück- lich, Caro zur Freundin zu haben.
„Nun, wenn wir alle so weit sind", meinte Tante Flora, „wer- de ich Bescheid sagen, damit die Kutsche vorgefahren wird." Der Wagen würde sie zum Hafen bringen und danach nach Wycombe Park zurückfahren. Lady Wycombe hatte vor, nach ihrer Amerikareise nach England zurückzukehren, während Danielle und Caro in Amerika bleiben und im Haus von Dani- elles künftigem Mann, Richard Clemens, leben würden.
„Oh, wie ist das alles aufregend!" Tante Flora eilte davon, und Danielle sah zu Caro hinüber, der die Vorfreude ins Ge- sicht geschrieben stand.
„Nun brechen wir also wirklich auf ...".meinte Danielle.
Caro lächelte. „Stell dir nur vor - bald wirst du eine verhei- ratete Frau sein!"
Danielle nickte nur. Sie musste unwillkürlich an den Mann denken, den sie vor fünf Jahren hatte heiraten wollen und der sie so grausam verraten hatte.
Richard ist anders, versuchte sie sich aufzumuntern.
Sie konnte nur hoffen, dass sie sich nicht täuschte.
Auf dem Schiff wurden alle Vorbereitungen getroffen, um mit der Flur auslaufen zu können. Die Wyndham war ein großes Passagierschiff mit Kabinen, die allen modernen Komfort bo- ten. Der Kapitän hatte die drei Frauen persönlich an Bord be- grüßt und ihnen versprochen, sich während der Überfahrt um ihr Wohlergehen zu kümmern, da sie ohne den Schutz eines Mannes reisten.
Danielle versuchte sich zu erinnern, ob es jemals in ihrem Leben einen Mann gegeben hatte, der sie vor irgendetwas ge- schützt hätte ... Ihr Vater war früh gestorben, und ihr Cousin Nathaniel hatte ihr bereits nachgestellt, als sie erst zwölf Jahre alt gewesen war.
Und Rafael, der Mann, den sie von ganzem Herzen geliebt hatte und der ihr Ehemann hätte werden sollen ... Rafael schon gar nicht.
Sie fragte sich, wie es wohl mit Richard Clemens sein wür- de - aber eigentlich war das auch nicht wichtig, denn mittler- weile hatte sie gelernt, auf sich selbst aufzupassen, und das würde sie auch nach ihrer Heirat tun.
Danielle stand mit Tante Flora und Caro an der Reling, wäh- rend auf dem Schiff die Segel gesetzt wurden. Es war Ende Mai, und ein leichter Wind blähte
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