Martin, Kat - Perlen Serie
stand Ethan, groß und unglaublich gut aussehend, in einem burgunderroten Gehrock, silbergrauer Weste und dun- kelgrauen Hosen.
Im Schein der Kerzen konnte Grace erkennen, dass er ihr mit verhaltener Erwartung entgegensah. Und während sie von Angus zum Altar geführt wurde, bemerkte sie in seinen hellen blauen Augen eine Aufgewühltheit - und noch etwas anderes, das sie nicht benennen konnte.
Ihre Hand zitterte, als Angus sie auf Ethans legte und sie sich beide dem Geistlichen zuwandten. Grace versuchte, sich auf Pfarrer Poulsons Worte zu konzentrieren und zur richtigen Zeit die angemessenen Antworten zu geben, ihre Gedanken schweiften allerdings wieder und wieder zu Ethan ab und zu dem, was sie in seinen Augen zu sehen geglaubt hatte.
Als die Zeremonie zum Abschluss kam, bemerkte sie erneut diesen Ausdruck in seinen Augen, sobald er sie direkt ansah. „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau. Was Gott zusam- mengebracht hat, soll kein Mensch auseinander bringen." Der Pfarrer lächelte. „Sie können die Braut nun küssen, Mylord." Einen Moment verharrte Ethan reglos, und Grace glaubte schon, dass seine Abneigung gegen sie vielleicht noch größer war, als sie befürchtet hatte. Doch dann beugte er sich zu ihr und senkte seinen Mund sanft auf den ihren.
Grace schloss die Augen und atmete seinen vertrauten Ge- ruch ein. Sie erinnerte sich sofort wieder daran, wie Ethans Lippen sich anfühlten, wie weich und zugleich beharrlich, männlich und verführerisch. Sie begann der Berührung nach- zugeben, und der Kuss vertiefte sich ... ihre Lippen schmieg- ten sich aneinander ... ihre Münder verschmolzen.
Ethans Hände umschlossen ihre Schultern, und Grace ließ den Kopf zurückfallen und öffnete ihre Lippen. Heiße Lust um- fing sie, und Ethan musste es ebenso spüren, denn er begann sogleich, sich von ihr zu lösen.
„Ethan", flüsterte sie - und er suchte ihren Mund erneut. Plötzlich räusperte sich jemand, und das Geräusch hallte in der Kirche wider. Grace bemerkte, dass Angus ein Husten vor- gab, um sie beide daran zu erinnern, wo sie sich befanden. Im selben Moment rissen sie sich voneinander los. Das Blut stieg Grace warm in die Wangen, und auch Ethans Gesicht hatte sich unter den hohen Wangenknochen ein wenig gerötet.
Er wandte den Blick ab, sah dann erneut zu ihr hinüber, und sie stellte fest, dass er verärgert darüber war, kurz die Be- herrschung verloren zu haben. „Ich denke, wir können jetzt gehen", sagte er mit unbewegter Miene.
Mit zitternder Hand griff sie nach seinem Arm. Sie war nun verheiratet, aber weil die Heirat keine freiwillige Entschei- dung gewesen war, fühlte sie sich innerlich wie betäubt.
„Soweit ich weiß, will Lady Tweed zu unseren Ehren ein Hochzeitsessen geben."
„So ist es." Die kleine, korpulente Frau kam nun zu ihnen he- rüber. „Mein Personal ist seit dem Morgen mit den Vorbereitun- gen beschäftigt. Außerdem habe ich eine Suite im Ostflügel für Sie herrichten lassen. Es wäre mir eine Ehre, wenn Sie beide Ihre Hochzeitsnacht in Seacliff verbringen würden."
Einen Augenblick lang glaubte Grace, dass Ethan Nein sa- gen würde. Er hatte ihr erzählt, dass er auf der Sea Devil in den Norden gereist war, weil das schneller gehe als auf dem Landwege. Daher nahm sie an, dass er gleich nach der Hoch- zeit wieder ablegen wollte.
Stattdessen ließ er seinen Blick über Grace' hellgrünes Kleid mit dem cremefarbenen Spitzenbesatz schweifen und nickte. „Es wäre auch uns eine Ehre."
Sie spürte eine Welle der Erleichterung. Ihr blieb noch eine weitere Nacht, bevor sie nach London aufbrechen würden - in
ein Leben, auf das sie völlig unvorbereitet war.
„Danke." Es gelang ihr, Ethan kurz anzulächeln, doch ihre Lippen zitterten.
„Heute ist unser Hochzeitstag, und ich möchte meine Braut glücklich sehen." Der Blick, mit dem er sie dabei bedachte, schien allerdings bereits etwas ganz anderes anzudeuten. Sei- ne Augen funkelten, und sie wusste, dass er schon daran dach- te, was passieren würde, sobald sie die Tür ihrer Suite hinter sich geschlossen hatten.
Ihr Herz machte einen Sprung. Sie war ihm nun angetraut, und er konnte von seinen ehelichen Rechten Gebrauch ma- chen, wann immer er wollte. Allein die Vorstellung ließ ihr das Blut schneller durch die Adern fließen - allerdings wusste sie nicht, ob aus Angst oder aus Vorfreude.
13. KAPITEL
Lady Tweeds Haus war umwerfend. Grace kannte es
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