Martin, Kat - Perlen Serie
Legende, die sich um den Schmuck rankte, und fragte sich, ob die Ehe mit Ethan wohl die Strafe für das Verbrechen war, ihrem Vater zur Flucht verholfen zu haben.
Vielleicht war der Viscount ja wirklich ein Verräter und schuld am Tod Dutzender Männer. Ethan zu heiraten, der sich weder aus ihr noch aus ihrem Kind etwas zu machen schien, wäre dann tatsächlich eine lebenslange Strafe für ihre Tat. Allerdings sah Grace der Hochzeit nicht nur mit Ablehnung entgegen. Fälschlicherweise hatte sie geglaubt, dass Ethan ihr nichts mehr bedeutete. Doch es hatte genügt, ihn an der Tür zum Haus ihrer Tante stehen zu sehen, um ihren Herzschlag in schwindelerregende Höhen zu treiben und es in ihrem Bauch kribbeln zu lassen.
All die Monate hatte sie sich etwas vorgemacht und ver- sucht, das Geschehene als eine vorübergehende Anziehung ab- zutun - eine Vernarrtheit, für die sie einen hohen Preis hatte zahlen müssen.
Aber nun stellte sie fest, dass seit ihrer Zeit an Bord der Sea Devil nichts von diesem Zauber verloren gegangen war. Sie musste Ethan nur ansehen, und ihr Herz begann vor sehnsüch- tigem Verlangen zu schmerzen ... und sie wünschte sich, ihn zu berühren ... wünschte sich, dass er sie berührte.
War das nicht verrückt? Sie hätte sich gar keinen unpassen- deren Ehemann wählen können, denn zu viele Dinge hatten sich ereignet, die ihrem Glück im Wege standen. Ethan war von
dem Gedanken an Rache besessen, und sie zweifelte keinen Mo- ment daran, dass er nicht eher ruhen würde, bis er ihren Vater am Galgen sah.
„Da vorne ist es." Elvira Tweed deutete mit ihrer pumme- ligen Hand auf den rechteckigen Turm der alten Kirche, die schon seit mehr als dreihundert Jahren über die Stadt wachte wie ein Schäfer über seine Herde.
Als die Kutsche vor der mit Efeu überwucherten Kirche ste- hen blieb, klopfte Grace das Herz bis zum Hals. Alles erschien ihr unwirklich, als würde sie das Leben einer anderen leben, denn es konnte einfach nicht sein, dass Grace Chastain gleich einen Mann heiraten würde, den sie kaum kannte!
Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen, und sah aus dem Fenster der Kutsche. Zu ihrer Überraschung entdeckte sie den alten Schotten, Angus McShane, der draußen vor der Kirche wartete. Er trug einen dunkelgrünen Kilt und war den Damen mit formvollendeter Höflichkeit beim Aussteigen be- hilflich.
„Mylady", begrüßte er Tante Matilda und verbeugte sich tief.
„Es ist eine Freude, Sie wiederzusehen." Sie drehte sich zu ihrer Freundin um. „Du kennst Mr. McShane doch bereits, nicht wahr?"
„Aber natürlich. Wie geht es Ihnen, Mr. McShane?", fragte Elvira.
„Ausgezeichnet, Mylady", entgegnete Angus. Dann lächelte er Grace an. „Na, Mädchen, jetzt machen Sie aber Nägel mit Köpfen!" Er lachte leise. „Wurde auch Zeit, dass der Junge mit einer guten Frau zur Ruhe kommt."
Grace war ein wenig verunsichert, was sie dazu sagen sollte, aber letztlich musste sie doch lächeln. „Es ist schön, Sie zu se- hen, Angus."
Ihre Tante und Lady Tweed waren bereits zur Kirche gegan- gen und hatten Grace der Obhut des Seemanns überlassen. Er bot ihr seinen Arm an. „Wir gehen jetzt besser rein. Der Capt'n wird mir was erzählen, wenn ich ihm seine Braut vor- enthalte."
„Ich bin froh, dass Sie hier sind, Angus."
„Nicht einmal ein ganzes Regiment britischer Grenadiere hätte mich davon abhalten können."
Sie lächelte und entspannte sich ein wenig. Von Anfang an war Angus freundlich zu ihr gewesen, und sie wusste, dass er
ihr auch jetzt helfen würde, die Zeremonie durchzustehen. Die Kirche war klein, aber wunderschön. In die dicken Stein- wände waren hohe Fenster aus buntem Glas eingelassen, und an der Decke sahen die schweren Holzbalken hervor. Dutzende Kerzen verbreiteten ein warmes Licht.
Grace blieb einen Moment an der Tür stehen, um ein letztes Mal die guten Wünsche ihrer Tante und Lady Tweeds zu emp- fangen, bevor die beiden alten Damen sich auf ihre Plätze be- gaben. Grace war freudig überrascht, auch den jungen Freddie Barton unter den Gästen zu sehen, der den Platz neben sich für Angus freihielt. Der blonde Junge winkte ihr zu, und sie lä- chelte zurück. Auf der anderen Seite von Freddie saß Phoebe Bloom, die sich ein Taschentuch an die Nase hielt und leise schniefte.
Aufgeregt sah Grace nun zum Altar, wo Pfarrer Poulson be- reits auf sie wartete. Er war ein schlanker Mann in den Vierzi- gern, mit schütterem braunem Haar und freundlichen Augen. Vor ihm
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