Martin, Kat - Perlen Serie
wissen, weshalb er sie ge- fangen genommen hatte, und sah mit einer Mischung aus Trotz und Resignation zur Sea Devil hinüber. Selbst wenn Ethan sich dessen nicht von Anfang an sicher gewesen wäre, so räumte ihr Schweigen nun die letzten Zweifel an ihrer Schuld aus.
Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie sein Schiff. Die Sea Devil war schneller und wendiger als die Lady Anne, und wenn sie erst einmal sicher an Bord waren, bestand keine Mög- lichkeit mehr, dass das andere Schiff sie noch einholen konn- te.
„Ich kann alleine hinaufklettern", sagte Grace entschlossen und sah zu der Strickleiter hinauf.
Ethan war kurz versucht, es darauf ankommen zu lassen. „Nein", meinte er schließlich, und bevor sie darauf etwas ent- gegnen konnte, hatte er sie bereits wieder hochgehoben und begann, die steile Schiffswand zu erklimmen.
Sobald Grace die Holzplanken des Decks unter ihren Füßen
spürte, fuhr sie herum und sah Ethan an. „Nun haben Sie, was Sie wollten. Hatten Sie nicht etwas von Landesverrat erzählt? Wahrscheinlich werden Sie mich jetzt direkt nach London bringen."
Er lächelte kalt. „Später. Zuerst segeln wir nach Frankreich." Ihre strahlend grünen Augen weiteten sich vor Überra- schung. „Wie bitte?"
„Ich muss noch etwas erledigen, bevor ich mich um Sie küm- mern kann."
Grace schluckte und rang um Fassung. „Ich verlange, dass Sie mir sagen, weshalb Sie mich hierher gebracht haben. Was haben Sie mit mir vor?"
Diese Frage stellte er sich selbst, seit er von ihrer Beteiligung an der Flucht des Viscounts erfahren hatte. Und von dem Mo- ment an, da er sie an Bord der Lady Anne gesehen hatte, gin- gen ihm noch ganz andere Dinge durch den Kopf.
„Ja, das ist wirklich eine gute Frage, nicht wahr?"
Doch statt Angst sah er nun eine unerwartete Leidenschaft in ihren Augen aufblitzen, und im hellen Schein des Mondlich- tes schien ihr Haar Funken zu sprühen. „Wer sind Sie wirklich, Captain Sharpe?"
Er ließ seinen Blick auf ihr ruhen und spürte, wie er von ei- ner Welle der Lust erfasst wurde. „Wollen Sie das wirklich wis- sen? Nun, ich bin der Teufel in Person, und Sie, meine Liebe, sind des Teufels Beute."
3. KAPITEL
Grace stand regungslos auf dem Deck der Sea Devil, und ihre Angst schien ihr das einzig Wirkliche auf der Welt zu sein. Sie konnte den donnernden Schlag ihres Herzens hören und spür- te die Beklemmung, die sich um ihre Brust legte und ihr den Atem nahm. Der Captain stand dicht vor ihr und sah sie mit einem kalten, triumphierenden Lächeln an. Nur mit äußerster Anstrengung gelang es ihr, das wahre Ausmaß ihrer Furcht vor ihm zu verbergen.
Mit Händen und Füßen hätte sie sich wehren sollen! Sie hät- te sich standhaft weigern sollen, das Schiff zu verlassen, hätte
um Hilfe schreien und damit die anderen Passagiere und die Mannschaft der Lady Anne herbeirufen sollen. Nur hatte sie nicht auch an Captain Chambers denken müssen? Sie wollte nicht, dass ihm etwas passierte, dass er ihretwegen womöglich sogar sein Leben verlor.
Sie hatte sich eines schweren Verbrechens schuldig gemacht, und von dem schrecklichen Moment an, da dieser Mann mit dem rabenschwarzen Haar in den Salon gekommen war, war sie sich sicher gewesen, dass er genau wusste, was sie getan hatte.
Aber wer war er? Der Teufel in Person, hatte er gesagt - und Grace glaubte ihm das. Er schien voller Hass zu sein. Nie zuvor hatte sie Augen von einem so eisig kalten Blau gesehen oder ein Gesicht, dessen Züge wirkten, als seien sie in Stein gemei- ßelt.
Er war groß, hatte lange, muskulöse Beine, und die Schulter, auf der er sie getragen hatte, hatte sich breit und kräftig ange- fühlt. Sie spürte das Blut in ihre Wangen steigen, wenn sie da- ran dachte, wie nahe sie ihm gekommen war.
Seine Haut war von der Sonne gebräunt, und sie sah kleine Falten um seine Augen, die er sicher durch den Einfluss von Wind und Wetter bekommen hatte. Lachfalten konnten es kaum sein, denn sie vermochte sich nicht vorzustellen, dass dieser Kapitän des Teufels jemals über etwas lachte - außer vielleicht über das Leid einer anderen Person. Sein Gesicht zeigte keine Gefühle, es war hart und unnachgiebig, fast schon grausam.
Doch mit seinem welligen schwarzen Haar, den schwungvol- len dunklen Brauen und den wohlgeformten Lippen war er zugleich einer der bestaussehenden Männer, denen sie je begeg- net war.
„Folgen Sie mir."
Seine Worte rissen sie aus ihren Gedanken. Wie hatte sie es nur zulassen können, dass er
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