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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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über eine Nacht in Berlin; die Erlebnisse eines Müllmanns; Marlene Dietrich, auferstanden, wandelt durch diese Stadt; die Geschichte eines erst arisierten und dann von den Kommis beschlagnahmten Hauses im Scheunenviertel; eine ausgedruckte Anleitung aus dem Internet, eine Bombe zu basteln.
    Ein Kinderspiel, dachte Anna, während sie die Seite studierte, nur, wenn sie es umzusetzen versuchte, würde sie vermutlich mit einer halbfertigen Bombe hochgehen. Anna, in Einzelteilen, an Wänden und Decke, das wäre schade. Sie kann kein Blut sehen, obwohl Rot ihre Lieblingsfarbe ist… nein, das kann Harry nicht ernst meinen. Die Welt wäre ein Schlachtfeld, wenn jeder Verlierer Rache nähme. Betrügen ist doch gesellschaftsfähig, das Spiel der smarten Ich-AG, zu der Anna jedes unternehmerische Talent fehlt. Harry ist vielleicht an dem Punkt, an dem er es leid ist, auf der falschen Seite zu stehen. Noch testet er seine Grenzen aus, die Kieselsteinattacke war ja nun wirklich nicht ernst zu nehmen. Doch wie lange noch, bis er die Linie überschreitet?
    Anna hat nicht bemerkt, dass Sibylle neben ihr steht. »Willst du ne Bombe basteln?« Sie greift neugierig nach dem Blatt.
    »Gib her, das ist ein Beweisstück. Und jetzt sind deine Fingerabdrücke drauf.«
    Sibylle lässt das Blatt erschrocken fallen, und Anna bückt sich, um es aufzuheben. Sie wird, dessen ist sie fast sicher, kein Beweisstück weitergeben, das Harry an den Galgen bringen könnte. Sie ist eine lausige Detektivin und wird eines Tages verhungern, weil sie es nicht fertig bringt, diesen Job ordentlich zu machen. Das weiß sie eigentlich schon länger, nur leider auch, dass sie als Journalistin nicht mehr den Anflug einer Chance hat. Die Jungen, Gierigen stehen Schlange, und angerostete Fregatten werden ausrangiert. Versenkt auf den Meeresboden der Arbeitslosigkeit. Sie hat Rafael erzählt, dass sie freiberufliche Journalistin sei, Kulturthemen, das ist ein weites Feld, auf dem sich gut lügen lässt.
    Während eines langen Abendessens, das vorzüglich war, mit Portionen, die Annas Appetit entsprachen, groß also, sprachen sie über vieles, während schlichtschlichtschlicht an eine Wand geschrieben stand, die Anna nicht wegschieben konnte. Sie trug ihren besten schwarzen Hosenanzug und fand sich trotzdem nicht gut genug. Sie hätte, um zumindest den Eindruck einer körperbewussten Frau zu machen, im Essen picken müssen. Stattdessen räumte sie ihre Teller leer und ertrug den Satz, dass er ihren Appetit bewundernswert finde. Der spanische Rotwein wirkte enthemmend, und ab einem gewissen Punkt, der zweiten Flasche, um genau zu sein, war ihr einfach alles egal. Es war ein schöner Abend mit gutem Essen und einem Rafael, dessen zu klein geratener Mund sehr ansprechend wurde, wenn er lächelte. Er lachte über ihre Geschichte mit dem blauen Auge, die sie als Burleske mit Fahrrad erzählte. Anna, der Clown, das ist eine Rolle, die sie von Kindheit an geübt hat.
    Er fand Anna witzig, und zwischendrin fragte sie sich, ob sie die Rolle der komischen Alten nicht übertrieb. Doch Rafael wurde ernst beim Thema Harry, das Anna ganz beiläufig ansprach. Er sah nicht, dass sie ein wenig errötete. Aus Scham.
    Rafael war überzeugt davon, dass Harry Unrecht geschehen war. »Er hat drei Wochen an diesem Serienentwurf gesessen. Manchmal kam der kreative Typ dazu, den Harry ja so nett fand, einer von Starks Sklaven, die für sie durchs Feuer gehen. Vielleicht hat er ja auch ein paar Ideen beigetragen. Aber der Löwenanteil stammt von Harry, er hat die siebzig Seiten auch geschrieben. Auf dem Laptop des Sklaven, das war Starks Einfall, weil Harrys Computer alt und ziemlich langsam ist. Hat mein Freund das Spiel durchschaut, frage ich dich? Natürlich nicht. Harry war so begeistert von seiner Serie, und die Produzentin hat ihn ja auch immer ermuntert und angetrieben… und als das Ding fertig war, geht sie hin und behauptet, dass ihr Kreativer das alles verfasst habe. Einen schriftlichen Vertrag gab es natürlich nicht, nur ein paar Zeilen, dass er für sie ein Serienexpose schreiben würde zu den üblichen Marktpreisen. Ich meine, Harry ist ein Idiot, so sieht es aus. Er projiziert seine Anständigkeit auf den Rest der Welt. Funktioniert aber nicht, wie man sieht.«
    Anna fühlte sich schlicht und schlecht während dieser Phase des Gesprächs. Wie hätte sie jetzt noch die Wahrheit sagen können? Eine Lüge zieht immer eine andere nach sich, und eines Tages stürzt das

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