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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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Mutter, die eine Meisterin der Verdrängung war und alle großen Sehnsüchte unterdrückte, bis sie ganz klein und hart war. Schmerzlosigkeit ist eine Utopie.
    Rafael hat sie nicht nach draußen begleitet, und Anna steigt in das Taxi und gibt dem Fahrer die Adresse von Sibylles Kneipe. Er rümpft die Nase, denn Anna stinkt nach polnischer Brotsuppe mit Knoblauch. Er öffnet die Fenster während der Fahrt, und sie gibt ihm kein Trinkgeld, verlangt aber eine Quittung. Ihr vernünftiger Tag, sie wird nur ein Glas Vodka trinken und dann fast nüchtern nach Hause gehen.
    Die Kneipe ist voll, und Anna muss sich zur Theke durchdrängen. Die rauchende, trinkende, redende, lachende Meute teilt sich leicht, was sie auf ihren Körpergeruch zurückführt. Anna erreicht ihre Hausbar, hinter der Freddy, der schwule Keeper, steht und mit aufreizender Gelassenheit einschenkt. Er lässt sich von dem Trubel nicht beeindrucken, das finden die Gäste cool. Sie wollen dafür bestraft werden, dass sie nicht nach Hause wollen, sondern Alkohol und Sex.
    Freddy winkt ihr zu und deutet auf die Küchentür, aus der Sibylle jetzt mit zwei Tellern kommt, beladen mit Roastbeef und Bratkartoffeln. »Du stinkst«, sagt sie im Vorbeigehen, lädt ihre Bestellung ab und drängt sich wieder durch zu Anna. »Du wirst nicht glauben, was passiert ist. Ich hab es eben in den Nachrichten gehört.«
    »Bin Laden wurde vom CIA angeheuert, die Türme in die Luft zu jagen«, sagt Anna. Sie hebt ihr Glas, das Freddy unaufgefordert vor sie hinstellte. Sie wird bevorzugt bedient und beschenkt ihn dafür mit den ausgefallensten Kondomen, die es in der Stadt zu kaufen gibt.
    »Eine lokale Nachricht«, sagt Sibylle. »Rosi Stark ist tot. Sie wurde heute Abend ermordet.«

7. Kapitel
     
     
     
    »Ermordet?« Anna spürt einen Stich im Rücken, doch es ist nur der Finger eines Mannes, der zur Theke drängt. »Sag’s mir nicht: Sie ist erschossen worden.«
    »Nein, du kommst nie drauf: Sie wurde mit einer Klobürste erschlagen.« Sibylle betont jede Silbe dieses Satzes, als würde sie auf einer Bühne vortragen. »Du verarschst mich«, sagt Anna jetzt und greift zur Zigarettenpackung.
    »Nein, ich schwör’s. Es kam in den RTL-Nachrichten.«
    Anna rückt näher an Sibylle heran, und sie nimmt die Sonnenbrille ab, als ob sie auf diese Weise besser hören könnte. »Man kann niemanden mit einer Klobürste ermorden. Das ist lächerlich.«
    »Ruhe«, schreit Sibylle in die Menge, doch sie ist Wirtin, nicht Lehrerin, und niemand kümmert sich darum. »Kein Plastikzeug, wie es unsereins in der Toilette hat. Ein durchgestyltes Instrument der Klohygiene aus Silber oder versilbertem Metall, so haben sie im Fernsehen gesagt. Rosi war in Eat The Rich – diesem neuen In-Laden in Schöneberg, du weißt schon.«
    »Weiß ich nicht«, sagt Anna. »Da essen nur die Reichen. Du meinst, sie ist auf dem Klo erschlagen worden?«
    »Das kam im Bericht nicht vor, aber die Vermutung liegt nahe, oder? Es läuft ja nicht jemand mit der Klobürste durchs Lokal und schlägt auf Gäste ein. Na ja, möglich ist alles in dieser bekloppten Stadt.«
    Der Filmagent hat sich bis zur Theke durchgekämpft und küsst Frauenwangen, die sich ihm willig darbieten. »Habt ihr schon gehört? Die arme Rosi hat’s erwischt. Hätte nie gedacht, dass die Frau sterblich ist.«
    Anna registriert Goldketten an Handgelenk und Brust und schließt ihre Augen vor diesem Anblick. Ihr ist ein bisschen schlecht, und sie nimmt einen kräftigen Schluck, weil sie daran glaubt, dass Vodka Medizin ist.
    »Sie sollten das Lokal in Kill the Rich umbenennen.« Er lacht über seinen Witz, und Sibylle kichert mit, denn er ist ein Gast, der häufig kommt und viel konsumiert. Und das Beste: Er zahlt bar. Ein paar Kompromisse müssen sein, wenn man nicht untergehen will in dieser mörderischen Welt.
    Anna fühlt die Übelkeit wie ein Karussell in ihrem Magen. »Wann war das?«
    »Am späten Nachmittag. Sie hat mit ein paar Leuten dort gegessen, und sie sind versackt. In dem Laden laufen auch hübsche Mädchen rum, die der Wirt rekrutiert, um die Gäste zu erheitern. Es war ein Geschäftsessen, haben sie im Fernsehen gesagt. Geschäfte können sehr sexy sein.« Der Agent bestellt eine Flasche Champagner, weil ihm heute danach ist, eine Frau aufzureißen, und mit Schampus geht es immer leichter. Nicht bei der Marx, die steht auf harte Getränke, aber die ist ihm sowieso zu alt. Sie sieht ein bisschen grün im Gesicht aus, passend zu

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