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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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Ohne Sex und Mord, Finanzämter und Russen, die singen, wann ihnen danach zumute ist. Sie bleibt im Treppenhaus stehen. Tschaikowsky, aber kein Licht. Niemand fühlt sich zuständig, die Birne auszuwechseln. Die Umstände sind liederlich, aber nicht ohne Reiz. Also tastet sie sich im Dunkeln nach oben und stolpert über einen Stapel Werbezeitungen, die schon seit Tagen herumliegen. Anna hält die Balance, weil sie sich am Treppengeländer festgekrallt hat. Die Neigung zu Missgeschicken zieht sich durch ihr Leben wie der Hang, den falschen Männern anheim zu fallen: verheiratet, verrückt, zu alt, zu jung… zu irgendwas, um etwas Gutes daraus zu machen. Ein Lebensabschnittsbegleiter, der sie durchs dunkle Treppenhaus führt, wäre jetzt wünschenswert. Sie über die Schwelle trägt… ihr heißen Kakao ans Bett bringt. Es ist in Betracht zu ziehen, dass sie vor allem die Zärtlichkeit eines anderen vermisst. Man kann so schwer zärtlich zu sich selbst sein, obwohl sie es an manchen Abenden versucht.
    In ihrem Badezimmer, beim Zähneputzen, betrachtet Anna ihr Toilettenwerkzeug. Es ist schwarz und aus Porzellan, aber als Waffe nicht überzeugend. Arme Rosi, vielleicht war ihr letzter Gedanke, dass ihr groß angelegtes Leben ein würdevolleres Ende verdient hätte. Eine Klobürste als Tatwaffe hätte sie jedem Drehbuchautor um die Ohren gehauen.
    Die Fernbedienung liegt unter dem Kopfkissen, und Anna wählt den Nachrichtenkanal. Irak, Afghanistan, der Kongo… der Tod einer Produzentin kommt nach dem Sterben in der Welt. Sie blenden ihr Bild ein, während der Sprecher die Nachricht verliest. Ein schönes Foto, auf dem sie blond, aber ohne violette Strähne zu sehen ist. Rosi lächelt gewinnend, und sie hat ja auch fast immer gewonnen bis auf das eine, das letzte Mal.
    Sie sei in den Toilettenräumen eines Berliner Nobellokals getötet worden, sagt der Sprecher. Die Tatwaffe sei sichergestellt, gegen den oder die Täter ermittle die Mordkommission der Berliner Kriminalpolizei. Die Verdienste der Rosamunde Stark um den deutschen Film zählt er im Anschluss auf: Sie produzierte bedeutende Filme, von denen einer sogar einen Oscar gewann – für die Filmmusik. Auch als Produzentin populärer TV-Serien schuf sie sich einen Namen, darunter einen der größten Publikumserfolge der Fernsehgeschichte: Die Nonne und der Förster. Rosamunde Stark wird eine schmerzhafte Lücke in der heimischen Filmbranche hinterlassen, so der Sprecher.
    Danach kommen Sportnachrichten.
    No sports. Anna schaltet den Fernsehapparat aus und drückt ihr Gesicht aufs Kissen. Sie hat immer auf dem Bauch geschlafen, auch wenn Frauenzeitschriften zur Rückenlage raten. Das Klingeln des Telefons hört sie zwar, doch sie ist weder willens noch imstande, ihm zu folgen und ihren Körper aus dem Bett zu heben. Sie ruht so sanft und weich. Und sie hat das ganze Bett für sich. Es gibt sie, die Sekunden, in denen sie dankbar für dieses Leben ist. Die Ewigkeit ist lang, besonders am Ende.

8. Kapitel
     
     
     
    Die eisblauen Augen sind feindselig auf die Besucherin gerichtet. Anna sieht von dem Husky hoch auf den Mann, der den Hund am Nacken festhält. Sie sind auch blau, seine Augen, doch kraftlos, fast farblos, und das Weiß schimmert gelblich unter getuschten Wimpern. Jacob Lenz steht an der Tür, im Licht der Mittagssonne, und Anna hat ihre Sonnenbrille abgesetzt, weil sie sich damit allmählich lächerlich vorkommt. Sie könnte schwören, dass er auch Rouge auf den Wangen hat. Er ist Schauspieler. Er lächelt, doch mit einer Andeutung von Schmerz, denn er hat einen schrecklichen Verlust erlitten.
    »Oscar tut Ihnen nichts. Bitte kommen Sie doch herein, Frau Marx.«
    Oscar lässt Anna gnädig vorbeiziehen, doch seine Augen verfolgen sie. Hunde sind Anna selten wohl gesonnen, und sie begegnen einander mit Vorsicht und Respekt. Rosamunde liebte ihre Oscars, denkt Anna, während sie dem Witwer durch die Eingangshalle in den Salon folgt. Der Kristalllüster klirrt dezent, als Anna unter ihm her schreitet, sie sieht hoch und denkt an den Film »Rosenkrieg« und ist froh, als sie ihn passiert hat.
    Wer immer das Haus eingerichtet hatte, er tat es mit großer Demut vor der Produzentin. Bambis säumen Annas Weg, auf Marmorsäulen platziert. Der »Oscar« steht in einer Glasvitrine, angestrahlt. Die Wände zieren gerahmte Fotos, die Rosamunde mit berühmten Schauspielern zeigen. Sie hat viele gekannt und präsentiert stets das gleiche Haifischlächeln, sodass die

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