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Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Titel: Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Doyle
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hatte das, was man eine Fehlgeburt nennt.«
    »Was ist das?«
    »Wenn das Baby in ihrem Bauch aufhört zu wachsen.«
    »Warum?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte er. »Es passiert einfach. Manchmal.«
    »Wo hat sie es denn verloren?«
    »Was?«
    »Missis McLoughlin von nebenan hat gesagt, sie hätte das Baby verloren«, sagte Scarlett. »Ich hab sie gehört.«
    »Ach so«, sagte ihr Papa. »Das sagt man so. Es ist eine Beschreibung dafür. Es bedeutet nicht, dass das Baby wirklich verloren wurde. Es wird bloß nicht mehr geboren. Es wird kein richtiges Baby.«
    »Ich möchte ein Baby.«
    »Ja.«
    »Eine Schwester oder einen Bruder.«
    »Toll.«
    »Besonders einen Bruder.«
    »Okay.«
    »Wann kommt Mama nach Hause?«
    »Morgen.«
    »Ist sie im Krankenhaus?«
    »Ja.«
    »Ist sie verloren?«
    »Nein. Es geht ihr gut. Sie ist müde. Und traurig.«
    Inzwischen war Scarlett größer, und wenn dieser Sommer vorüber war, würde sie eingeschult. Im Melkstand schien es langsam kälter zu werden, wie immer nach einer Weile. Scarlett und ihre Mama zitterten, gleichzeitig und gemeinsam, weil sie sich immer noch bei den Händen hielten. Sie mussten lachen.
    Scarlett bemerkte, wie ihre Mama sich umsah.
    »Suchst du nach was?«
    »Ich dachte, ich hätte etwas gespürt«, sagte ihre Mama.
    »Hier ist niemand«, sagte Scarlett. »Was war es denn?«
    »Nichts.«
    »Was hast du gespürt?«
    »Nichts«, sagte ihre Mama. »Bloß – ach was.«
    »Was denn?«
    »Nichts, es ist nur …«
    »Sag’s mir doch, Mama. Du musst.«
    »Ich dachte, da hätte noch jemand gelacht, als wir beide gelacht haben.«
    »Aber hier ist niemand.«
    »Das weiß ich.«
    »Ich will jetzt gehen. Komm.«
    »Gute Idee.«
    Sie gingen nach draußen, in die Sonne, und die Gänsehaut auf Scarletts Armen, diese kleinen, von der Kälte hervorgerufenen Pickel, verschwanden. Sie zogen sich unter die Haut zurück.
    »Hast du wirklich jemanden lachen gehört?«
    »Nein«, sagte ihre Mama. »Wie denn? Das war das Echo unseres eigenen Gelächters, mehr nicht. Oder was meinst du?«
    »Ja«, sagte Scarlett. »Mehr war das nicht.«
    »Dann wäre das ja geklärt. Hast du eigentlich keinen Hunger?«
    »Doch.«
    »Du hast geschlafen wie ein Murmeltier.«
    »Stimmt.«
    Sie gingen über den Hof zum Haus zurück. Scarlett hatte ein Gefühl, als ob die Sonne ihr über den Kopf streichelte. Das gefiel ihr. Ihre Mama sagte dazu ›das Wexford-Streicheln‹.
    Ihre Mama überquerte den Hof immer ziemlich schnell.
    »Warum magst du die Windhunde nicht?«, fragte Scarlett.
    »Ach, Gott«, sagte ihre Mama. »Es stimmt, ich mag sie nicht. Hab sie nie gemocht. Sie waren mir immer zu groß.«
    »Das bist du selber doch auch«, sagte Scarlett.
    Ihre Mama blieb stehen und lachte.
    »Womit du recht hast, junge Dame.«
    Scarlett beobachtete, wie ihre Mutter eine Hand hob, um ihre Augen zu beschatten, damit sie nicht blinzeln musste. Sie musterte die Windhunde hinter dem Zaun.
    »Also gut«, sagte sie. »Du willst also wissen, warum ich die Windhunde nicht leiden kann, obwohl ich selber ein bisschen wie ein Windhund bin. Richtig?«
    Sie gab ein Bellen von sich und Scarlett lachte.
    »Ja«, sagte Scarlett. »Warum? Du bist viel größer als sie.«
    »Na ja«, sagte ihre Mama. »Es könnte sein, dass es verrückt klingt. Und ein bisschen traurig.«
    Sie beugte sich herunter, bis ihr Gesicht direkt vor dem von Scarlett war.
    »Ich habe den Windhunden die Schuld am Tod meiner Mutter gegeben.«
    Scarlett wollte weglaufen.
    »Haben sie etwa …«
    »Nein, nein, natürlich nicht«, sagte ihre Mama. »Es war die Grippe. Alles in Ordnung. Ich weiß das. Aber, verstehst du, ich habe immer gedacht, wenn meine Mutter gemeinsam mit mir ins Haus gegangen wäre, wäre ihr nichts passiert. Ist sie aber nicht. Sie blieb draußen und fütterte die Hunde. Und ich habe immer geglaubt, die Hunde hätten sie mit der Grippe angesteckt.«
    Sie lächelte.
    »Verrückt«, sagte sie. »Aber ich konnte nichts dagegen machen. Irgendjemandem musste ich die Schuld geben, und die Hunde hatte ich sowieso nie leiden können. Komm, es wird Zeit, dass du dich wäschst und etwas isst.«
    »Nur essen.«
    »In Ordnung«, sagte ihre Mama. »Du hast mich in einem schwachen Moment erwischt.«
    Sie beugte sich erneut zu Scarlett hinab. »Ich liebe es, mit dir zusammen zu sein.«
    »Ich weiß«, sagte Scarlett.
    »Ich war jünger als du, als meine Mutter starb.«
    »Ich weiß.«
    »So etwas ist immer traurig.«
    »Ich weiß.«
    »Ich beschloss,

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