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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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schmecken; und er scheint eine halluzinogene Wirkung zu haben – ich höre Stimmen, süß geflüsterte Worte, die mich umgarnen, auch wenn ich ihren Sinn nicht verstehe.
    Auf einmal habe ich den mächtigen Drang, dieser Spur in die Tiefe zu folgen, nach ganz unten abzutauchen, bis ich den Grund erreiche – und sollte mein Körper implodieren.
    Dort warten sie auf mich.
    Ich finde euch.
    Ich komme.
    ***
    Obwohl ich körperlos im Tank schwebe, durchströmt mich ein intensives Wärmegefühl, das die Kälte des Ozeans fortspült. Noch immer begreife ich nicht, wie ich mich derart in Gefahr bringen konnte. Es muss ein Lockstoff gewesen sein, eine Art von Liebesdroge; oder wäre eine andere Theorie plausibler? Leider habe ich keine Proben, die sie bestätigen könnten …
    Ab einer gewissen Schmerzgrenze muss mein Körper selbst die Kontrolle übernommen haben und instinktiv umgekehrt sein, denn an den Rückweg aus der Tiefe erinnere ich mich nicht.
    Mit knapper Not.
    So ein Fehler passiert mir kein zweites Mal.
    Protokollnotiz für *//432-47 : Unter der Oberfläche scheint tatsächlich Leben entstanden zu sein. Weitere Forschungen erbeten, Sicherheitsstufe 3. Mission beendet.
    *//535-29
    Im Sturzflug breche ich durch dichte Mineralienwolken, und Kieselsteinchen hageln auf meinen Monoflügel nieder, der den Einschlägen aber gut standhält. Schon jetzt ist die Hitze schier unerträglich. Kein Leben.
    *//663-93
    In meine Körperblasen pumpe ich Methangas ein, damit ich aufsteigen kann in den schwefelgelben Himmel. Kristalle überall im dampfenden Vulkanschlot. Kein Leben.
    *//718-81
    Kilometerweit grabe ich mich durch giftigen Schlamm, bis meine Wurmsegmente taub sind. Ich werde müde. Kein Leben.
    *//888-36 bis *//1352-25:
    Kein Leben. Kein Leben. Kein Leben. Kein Leben. Kein Leben. Kein Leben.
    *//1404-12
    Über diesen Glückstreffer sollte ich mich riesig freuen: ein mildes Klima, eine üppige Vegetation und reiche Fauna – aber der Kreator hat mich als krabbelndes Insekt erschaffen, und ich bin es leid, der Bodensatz seiner Schöpfungen zu sein, obwohl er immer nur die bestmögliche Adaption für mich auswählt. Leider steht es nicht in meiner Macht, sein Programm zu manipulieren, sonst würde ich den Entstehungsprozess wiederholen lassen, so lange, bis mir meine Form gefällt.
    Ich habe fast vergessen, wie es ist, ein Mensch zu sein. Einfach zu atmen, den Brustkorb zu heben, zu senken; zu laufen, zu schreien – das Herz im Innern schlagen zu hören.
    Mit meiner Hand ein Werkzeug zu greifen.
    Widerwillig setze ich den insektoiden Körper in Bewegung und öffne eine Schleuse, um die fremde Welt draußen zu betreten: ein Tropenwald, feucht und drückend unter dem Blattwerk; und ringsum spüre ich das Trampeln von Tieren, als ich über den Boden vorankrieche. Abseits am Rand wachsen Sträucher, die ich als giftig einstufen würde – in der Nähe liegt Aas mit kirschroten Dornen im Fell; Würmer haben den Kadaver schon so weit zerlegt, dass sein Skelett durch den Pelz sticht.
    Ein vollständiges Ökosystem, unglaublich.
    Aber es würde Monate, wenn nicht Jahre kosten, den gesamten Planeten zu katalogisieren; die Exemplare zu sammeln, die Stammbäume auszuarbeiten – früher hätte ich nichts lieber getan als das, doch mein Entschluss steht endgültig fest:
    Andere Forscher sollen meine Arbeit fortsetzen. Heute noch werde ich den Kurs zur Erde setzen.
    ***
    *//1-01
    Auf der gesamten Rückreise habe ich traumlos geschlafen, bis der Kreator mich schließlich geweckt hat. Ich bin aufgeregt und glücklich, meinen Heimatplaneten nach so langer Zeit wiederzusehen. In den Jahrhunderten, die ich unterwegs war, wird sich vieles verändert haben:
    Sind neue Kulturen, neue Technologien entstanden? Werden sie mich herzlich empfangen … oder als Relikt einer fernen Epoche betrachten?
    Statt mich mit neuen Fragen zu quälen, initiiere ich den Kreator und erlebe ein letztes Mal den Entstehungsprozess mit: wie die transmorphe Flüssigkeit um wenige Grad erwärmt wird, dass mein Geist in die Retorte einfließen kann und dort seine feste Gestalt erhält, Knochen und Muskeln, Sehnen, Nerven.
    Meine zweite Geburt.
    Zu spät fällt mir auf, dass irgendetwas nicht stimmt. Die Erinnerungen fehlen, die Gefühle, alles, was mich ausmacht – nur meine Basisidentität wurde übermittelt, der Rest bleibt erneut im Tank zurück.
    Was geschieht hier?
    Und dann, als die Retorte abgeschaltet wird und ich als Kakerlake aus dem Glaszylinder krabble,

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