Maschinenkinder
der vollständig ausgeschlachtet war: keine Lampen, kein Licht. Gabriel tastete sich durch die Dunkelheit, den Seesack geschultert. Unter den Stiefeln ächzte und knarrte der Rumpf, aber da waren noch andere Laute: leise, kratzende Geräusche wie Muscheln, die über Steine schabten. Im Schatten bewegte sich etwas! Oder war das Einbildung, spielten seine Nerven verrückt? Er brauchte Schlaf, einfach ein wenig ausruhen …
»Nicht jetzt. Komm schon, mach bloß nicht schlapp!«
Gabriel kniff seine Augen zusammen, konnte aber weiter hinten nur rötliche Schemen erkennen. Was war dort? Langsam öffnete er den Seesack und zog seine Pistole heraus. Dann machte er einen Schritt. Und einen zweiten. Dritten. Ein Knacken neben seinen Füßen – eine Berührung am Bein! Blind holte Gabriel mit der Stiefelspitze aus, kickte etwas Hartes von sich. Es klickerte im Dunkeln. Gabriel trat nach, traf aber nichts. Ihn fröstelte. War das ein Tier? Licht, und zwar schnell!
Mit vorgestreckter Waffe durchquerte er den Gang, fand die zweite Schleusentür, stemmte sich dagegen … und sie sprang auf. Licht brach herein, und endlich konnte Gabriel sehen, was dort am Boden kroch: ein Krebs, ein stinknormaler Taschenkrebs, dessen Scheren über die Metallplanken schleiften. Oh Mann! Gabriel verzog die Lippen und keuchte, während er die Tür ganz aufstieß.
Das Husten blieb ihm in der Kehle stecken – Krebse, hunderte, tausende von Krebsen fluteten ihm entgegen, eine einzige, formlos organische Masse, ein riesiges Knäuel aus Panzern, Fühlern und Scheren; alles war voll von ihnen, sie übersäten den Fußboden, kamen aus Rohren und rostigen Spalten, liefen über Ofenherde und Stühle der Schiffsmesse. Der Schock trieb Gabriel nach vorn – er trat ein übergroßes Exemplar fort, das mit flinken Beinen auf ihn zugekrabbelt war, und sprang auf eine Kühlbox, von dort zu einem Tisch, auf dem noch leere Tassen standen.
Um ihn herum wurden die Bewegungen hektisch, aufgescheuchte Tiere kletterten und fielen wild übereinander, doch schienen sie instinktiv in seine Richtung zu drängen, näher, näher heran. Der Knall betäubte seine Ohren, als Gabriel in die zuckende Masse schoss; blassrosa Fleisch spitzte gegen die Wände.
Zum Teufel! Diese Viecher, wo kamen die alle her? Hatte er sie angelockt, durch seinen Schweiß, seine Bewegungen? Oder war dieses U-Boot eine Bruthöhle für sie und nur deshalb –
Was war das?
Da lag ein Kadaver unter den Tischen, schwammig verwestes Fleisch, das lange im Wasser gelegen hatte, obwohl die Haut noch perlmuttfarben schillerte. Krebstiere rissen und zerrten daran, schnitten Fetzen und Löcher, damit sie tiefer reinkrabbeln konnten. Der Kopf war schon abgenagt, Gabriel konnte den deformierten Fischschädel sehen, eine Augenhöhle, Zähne; er würgte.
Ein Schuss löste sich aus seiner Waffe, traf die Bestie – sprengte die Gräten nach außen. Hastig riss Gabriel den Arm hoch, sodass ein drittes Projektil quer durch eine Deckenlampe splitterte.
Ballot!
Quelle idiotie!
Warum zur Hölle gingen ihm derart die Nerven durch? Das waren nur Aasfresser, wie die abgemagerten Hunde in Menton. Er musste sich endlich zusammenreißen. In diesem Geisterschiff drohte keine Gefahr. Wenn diese Migräne nur aufhören würde!
Seine Finger waren bleich und zitterten, als er die Pistole sinken ließ. Er blinzelte den Schweiß aus den Augen, und der Raum klarte auf. Raus hier! Gabriel setzte zum Sprung an, rutschte über eine zweite Tischplatte, konnte sich abfangen, sprang erneut – und erreichte ein leeres Vorratsregal, dem er bis zur Schleuse an der Steuerbordwand folgte.
Dort kletterte er runter, mitten hinein in das ekelhafte Gewühl aus Scheren und Chitinpanzern, das ihn von allen Seiten umringte … wie eine Schwarmintelligenz. Mutationen, die Strahlung allein brachte solche Kreaturen hervor.
Die ganze Welt war todkrank!
Gabriel schnaubte, während er das Schleusenrad aufkurbelte, um das rostige Schott zu öffnen. Wenn er doch nur – Ein Geräusch wie Kreide, die über eine Tafel kratzt, unten, an seinen Stiefeln; gehetzt presste Gabriel seinen Seesack durch den Spalt, dann zwängte er sich selbst hindurch. Verriegeln!
Polternd schlug er die Schleuse hinter sich zu.
***
Stille, abgelöst vom Tröpfeln des Wassers, das scharfe Echos durch den Schiffstrakt warf. In Gabriels Ohren rauschte das Blut, und eine Weile schien er wie blind, bis allmählich Stahlrohre aus dem Halbdunkel traten, die im hinteren
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