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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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Abschnitt verschwanden. Nachdem er seine Waffe verstaut und einen Schluck getrunken hatte, forschte er in den Mannschaftskojen nach nützlichen Dingen, fand jedoch nur Teller und Tassen auf den Stahlbetten vor – Nacktbilder von Frauen bedeckten die Wände, eine schimmlige Matratze lag in einer der Nischen.
    Sonst nichts.
    Zögernd wechselte er die Sektion und stellte fest, dass er direkt unter dem Turm des U-Bootes stand: Rostige Leitern führten zum Oberdeck hoch, dort mussten die Torpedobänke liegen, daneben auch Brücke und Kommandantenkammer.
    Woher wusste er das? War er Offizier oder Matrose gewesen? Gabriel schob die quälenden Fragen beiseite, während er eine Sprosse mit der Hand umfasste: Sie war feucht, spröde; eiskalt. Er zog sich daran hoch, schnaufte, als sein Arm belastet wurde. Mit zusammengepressten Zähnen kletterte er die Leiter hinauf, die ihm bei jedem Griff in die Finger schnitt; sie bluteten, noch ehe Gabriel die oberen Segmente erreichte. Sonnenlicht sickerte durch Risse und Löcher, es war taghell, aber stickig warm; ein Geruch von Treibstoff in der dunstigen Luft. Er hustete.
    Zu beiden Seiten offene Schleusen; kurz spähte Gabriel den Abschnitt entlang, um schließlich dem rechten Korridor zu einer Stahltür zu folgen. Sie war unverschlossen – er stieß sie auf und trat ein: der Raum des Kommandanten, ebenso ausgeschlachtet wie der Rest des Schiffes; Gabriel wollte schon kehrtmachen, als sein Blick auf eine Metallbox fiel, die unter den Regalen stand. Er ging in die Hocke und öffnete den Deckel. Leer. Nur Schnipsel und ein Folienschreiber. Krachend schleuderte er sie gegen die Wand.
    Kein Glück.
    Und wieder kein Glück, seit Tagen nicht. Wie sinnlos doch alles war! Warum quälte er sich vorwärts durch diese atomare Hölle, wenn er nur seine Pistole durchladen und in den Mund stecken musste. Hunger, Durst, diese elenden Kopfschmerzen, war es das alles wert, um am Leben zu bleiben? Leben, pah! Das war doch kein Leben, dieses Dahinvegetieren in Staub und Hitze …
    »Ich bin so müde«, stöhnte Gabriel und ließ den Seesack von der Schulter in die blutigen Hände rutschen. Sekundenlang starrte er auf den groben, zerschlissenen Stoff. Seine Finger zuckten. Die Waffe wirklich abfeuern? War das ein Ausweg für ihn? Nein, nur Feiglinge kneifen, hämmerte er sich ein. Aufstehen! Mach schon, Soldat! Schwerfällig kam er hoch, schulterte sein Gepäck. Da waren noch mehr Räume, die Gabriel absuchen konnte. Bloß nicht aufgeben, vorwärts. Na los!
    ***
    Tropfen klatschten gegen seine Stirn, als Gabriel bei den Leitern anhielt und zum Turm des U-Boots hochblinzelte. Durch faustgroße Rostlöcher sah er den Himmel, stahlblau, mit wenigen Wolken, die über der Küste dahintrieben. Ein Radarskop, ein Abgasrohr und Funkantennen knarzten oben im Wind; es musste schon früher Abend sein, sonst wäre die Brise nicht so stark. Gabriel passierte zwei Schleusen, wandte sich daraufhin nach links.
    Die Brücke, die er tief gebeugt betrat, war mit Konsolen und Bildschirmen nur so vollgestopft, viele davon jedoch zerbrochen oder gänzlich zertrümmert; überall lagen Platinen und Glassplitter herum. Mürrisch riss Gabriel einen Kabelstrang von der Decke, bevor er sich erschöpft auf einen Drehstuhl fallen ließ. Schrott, nichts als Schrott! Er hievte den Seesack auf eine Tastatur und seufzte – rieb sich die Augen, Wangen, Schläfen. Hunger wühlte in seinem Magen, aber hier wollte er nicht rasten und etwas essen, dafür war die Luft zu klamm, zu ölig: wie ein Film lag sie auf seiner Haut, verklebte ihm Hals und Rachen.
    Während Gabriel noch überlegte, ob er das Schiff jetzt durch die Deckenluke oder den Rumpf verlassen sollte, fiel ihm ein roter Kippschalter auf, direkt unter den Tastaturen:
    Marche/Arrêt.
    Er langte hin, schnippte den Schalter nach oben – nichts. Halt, da war tatsächlich ein Geräusch: ein Lüfter, der sich quietschend in Gang setzte, bevor mehrere Kontrolllämpchen aufflammten. Ein Bedienfeld wurde hell, ein Monitor, ein zweiter, und Gabriel konnte schon den Cursor blinken sehen, als ein jäher Stromabfall alles wieder auslöschte und Schatten über ihm zusammenschlug.
    Irgendwo knisterte es.
    Einen Moment starrte Gabriel in die blinden schwarzen Bildschirme, dann hob er den Kopf und atmete tief durch. Na klar. Wie hätte es anders sein können! Er presste die Zähne zusammen, so fest, dass sie knirschten, ehe ein heiseres Lachen aus ihm herausbrach:
    Es war ein Witz. Ein Witz!

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