Maschinenkinder
Authentifizierung ...«
»Ich ... kenne den Code nicht«, sagte Gabriel zögernd.
»Stimmerkennung positiv«, erklärte ihm das System. »Nádas, Gabriel, Funkmaat der U14. Zugangsbeschränkungen: keine. Bonjour, Monsieur Nádas! Ich erwarte Ihre Kommandos.«
***
Der Cursor blinkte im Takt seines pochenden Herzens. Gabriels Mund stand offen – jede Sekunde eine Ewigkeit. Das war es, die erste brandheiße Spur! Danach hatte er sechs qualvolle Jahre gesucht, und jetzt fiel ihm alles zu, ausgelöst durch einen Dominostein, der neue Dominosteine anstieß.
»Gib mir alle verfügbaren Daten über Gabriel Nádas«, sagte er mit belegter Stimme. Er musste sich beeilen, der Akku würde nicht ewig halten, obwohl sein Helm über eine integrierte Ladestation verfügte. Doch woher neuen Strom bekommen? Strom war inzwischen so rar wie Wasser. »Los, schneller!«
»Suche abgeschlossen«, gab die Computerstimme aus, bevor eine zweizeilige Liste auf einem der Monitore erschien. »Ergebnisse werden angezeigt.«
Gabriel überflog den Text und las: »Akte Seewolf 45.« Darunter standen mehrere kryptische Zeichen, offenbar verschlüsselte Daten oder Daten, die nicht systemkompatibel waren.
»Akte Seewolf 45 enthält eine Multimediadatei. Möchten Sie diese öffnen?«
»Ja.«
»Element wird vorbereitet ... fertig.«
»Ausführen.« Erst konnte Gabriel nicht feststellen, was für ein Programm auf dem Bildschirm startete, bis er verrauschte Bewegungen und Farben sah, einen Filmclip: Schemen, die dicht beieinanderstanden, Matrosen in einer Schiffsmesse. Es wurde gefeiert. Die Kameraden prosteten sich mit billigem Tafelwein zu.
Stimmen. Gelächter. Und da sah er sich selbst, über zehn Jahre jünger, wie er einem Leichtmatrosen die Mütze vom Kopf schlug, ihm lachend gegen den Oberarm boxte: »Salaud! C‘est mon petit frère Philippe!«
Von der Seite umarmte ihn ein Teenager, das lockige Haar bis auf die Schultern; auch er trug einen Matrosenanzug, und nach kurzem Überlegen erkannte Gabriel ihn wieder: Das war der junge Arzt oder Wissenschaftler aus seiner Vision, sein Bruder Philippe! Immer mehr Teile des Puzzles fügten sich zusammen. Gabriel wollte dem Rechner gerade den Befehl geben, näher heranzuzoomen, als eine erste Stromschwankung auftrat: Die Bildschirme flackerten – wurden schwarz, wieder hell.
»Zweite Datei«, befahl Gabriel und rüttelte an der Batterie. Wie lange noch?
»Daten nicht lesbar«, erklärte die Computerstimme schläfrig und dumpf. »Ein Emulator wird gesucht ... bitte ... warten ...«
»Suche abbrechen! File als Rohdaten anzeigen.« Kalter Schweiß klebte an seinen Händen; er wischte ihn an der Hose ab, während eine Kaskade aus kryptischem Text über die Monitore quoll, schneller und schneller, sodass die Zeichen zu einem einzigen blauen, flirrenden Block verschmolzen. Das mussten Terabyte an Daten sein! Und sie hatten mit ihm zu tun, ihm: Gabriel Nádas. Er kannte seinen Namen. Endlich!
Ein Bildschirm wurde schwarz, der Lüfter kreischte, blieb stehen … dann Stille, einen Augenblick lang.
Das U-Boot knarzte.
Draußen Möwengeschrei.
Lange Zeit blieb Gabriel reglos auf dem Drehstuhl hocken, bevor er schließlich aufstand und von der Brücke zurück zur Kommandantenkammer wechselte: schlafen – hier oben war er sicher, keiner würde ihn stören, wenn er für ein paar Stunden die Augen schloss. So gut es eben ging, wuchtete er die Stahltür in den verrosteten Rahmen, drehte die Schleusenkurbel nach rechts; dann stellte er den Seesack auf dem Boden ab, um ihn als Kissen zu verwenden. Er legte sich hin, gähnte –
***
Der Hafen lag im Nebel versunken, als er am nächsten Morgen das U-Boot über eine Turmluke verließ und mit Hilfe von Trittleitern und faustgroßen Rostlecks, die genug Platz für seine Stiefelspitzen boten, den Rumpf abwärts bis zum Kai klettern konnte. Unten, die Wracks in milchiges Feuer getaucht, verkürzten dichte Schwaden seine Sicht auf Armlänge, sodass Gabriel fast blind einen Weg aus dem Labyrinth der Schiffe heraussuchen musste. Er fror entsetzlich und seine Schultern bebten trotz der Lederjacke, die nur einen Teil der feuchten Kälte abhielt. Erst nach zwei Fehlläufen fand er das eingetretene Gitter und tauchte durch die Maschen hindurch, nachdem er den Helm aufgestülpt hatte.
Die Wakan stand da, wo er sie abgestellt hatte, überperlt mit Tautropfen auf Sattel und dem Benzintank; Gabriel fegte sie mit der Hand beiseite, ehe er den Seesack im Fach verstaute,
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