Maschinenkinder
sich aufs Kraftrad schwang, den Motor anließ. Den Koordinaten zufolge musste das Krähennest südöstlich von Nizza liegen – bei dieser Waschküche über zwei Stunden Fahrtzeit. Aber abzuwarten, bis sich der Dunst verzogen hatte, brachte ihn auch nicht voran.
Militärstützpunkt Z14, würde er dort etwas finden?
Verbissen riss er den Lenker herum, rückte das Kraftrad in Position, damit er in steilem Bogen durchstarten konnte – mitten in den salzigen Nebel hinein.
Der Geigerzähler knisterte.
***
Schnell wurde das Knistern zu einem bedrohlichen Prasseln, während Gabriel der Corniche aufwärts folgte, die ihn in einer Höhe von geschätzten fünfhundert Metern über dem Meeresspiegel an Monaco vorbeiführte: Im Tal hatte sich der Nebel zu einem Schaum verdichtet, sodass nur einzelne, zerstörte Hochhäuser aus dem gelblichen Dunst hervorstachen. Kein Mensch lebte dort unten, die Stadt war unbewohnbar, ein Point Noir , wo eine der atomaren Raketen frontal eingeschlagen war … binnen Sekunden die Casinos und Plazas weggebombt hatte. Der ganze Küstenabschnitt eine einzige atomare Gefahrenzone. Erst nachdem der Ausblick hinter einem Felsvorsprung verschwand und nicht wieder auftauchte, holte Gabriel tief Luft und drosselte sein Tempo, um die Fahrt etwas lockerer anzugehen, obwohl die Straßenverhältnisse unverändert kritisch waren; überall Schlaglöcher und Rollsplitt.
An einer Talschleife gabelte sich der Weg; Gabriel nahm die Abzweigung nach links und wurde nach wenigen Metern von Felswänden bedrängt, die sich rasch zum Nadelöhr stauchten. Schatten schlug über ihm zusammen – jähe Nachtkälte, noch im Stein gespeichert, dann ein Hitzeschlag, bevor die Wakan auf ein sandiges Plateau hinaussprang. Gabriel stöhnte, als sein Kreislauf absackte, und Punkte tanzten vor seinen Augen; Schwindel. Hastig riss er das Kraftrad herum, das mit quietschenden Reifen zum Stillstand kam.
Um Haaresbreite. Verflucht, diese Strecke war mörderisch! Beidhändig zerrte er seinen Helm vom Kopf und klemmte ihn unter den Arm.
Er rieb sich den schweißnassen Nacken. Ohne Zoom dauerte es, bis Gabriel die gelben Warnschilder lesen konnte, die jenseits der Straße aufgepflanzt waren: Militärgebiet, Sperrzone: Défense d‘entrer! Etwa einen Kilometer entfernt stand das Fort, ein gedrungener Klotz aus Stahl, blauschwarz und schillernd, wie Teer auf die Küste gegossen. Seine militärische Aura schien fast greifbar, gefährlich – ein schlafendes Raubtier, das man nicht aufschrecken sollte. Gabriel spürte, wie ihm die Arme fröstelten.
Dies war also sein Ziel.
Links das Meer, rechts eine Sichel aus Klippen – im Felsenkessel hörte er das monotone Schwappen der Wellen, dumpf, wie durch Watte, während er seine Maschine zu Fuß über die Zufahrtsstraße rollte. Sand knirschte unter den Rädern; bald begann Gabriel zu schwitzen, das Kraftrad war schwer, und er hatte noch nichts gegessen, aber solch ein Gelände konnte vermint sein, er wollte nichts riskieren. Schier endlos fraß er Meter für Meter, versunken in taube Gedanken, bis das schwarze Gefühl ihn ganz ausfüllte und er nur noch mechanisch vorwärts kroch, den Kopf gesenkt, Hitze auf dem kahlen Schädel.
Abrupt wurde das Kraftrad von Schlagschatten belegt. Gabriel blickte auf, um erstaunt festzustellen, dass er das Sicherheitstor des Forts erreicht hatte: eine dichte Konstruktion, kein Spalt, keine Fuge im Stahl zu erkennen. Keine Gegensprechanlage. Nicht mal ein Kartenleser.
Wie sollte er dort reinkommen?
Gefechtstürme überragten den Wall; da war ein Sendemast, mehrere Satellitenschüsseln, auf denen die Sonne gleißte. Ein Lastwagen; Öltanks, aus denen der Rost leckte. Und dann entdeckte Gabriel das kleine Gerät, das im Schatten des Tores fast unsichtbar war – ein Netzhautscanner, auf Augenhöhe angeschweißt. Atemlos ging er hin, um sein Glück zu versuchen.
***
Ein asthmatisches Pfeifen, während das Tor ruckelnd hochgehievt wurde. Die tonnenschwere Last ließ die Hydraulik ächzen – erzittern, als das Getriebe mit einem Donnerschlag einrastete.
Der Weg war frei.
So schnell wie möglich packte Gabriel den Seesack und rannte in den Kasernenhof, wo Truppenfahrzeuge und Panzer unter vergilbten Tarnnetzen rosteten. Hinten, am ausbetonierten Kai, lag eine einzelne Fregatte vor Anker; ihr Rumpf war von einem Loch zerfräst, ein Volltreffer möglicherweise, obwohl die Konturen weder an Granaten- noch Torpedoeinschläge erinnerten. Gabriel wandte sich
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