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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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er beherzt. »Ich habe zwar längst Feierabend, aber das schert ja sowieso keinen hier.«
    »Wird … wird es weh tun?«
    »Ach was! Ich werde deine Sensoren schon nicht verkratzen.« Geübt löste Bill die seitlichen Schrauben, schlug die Verkleidung zurück. Jetzt konnte er direkt ins Herz der Maschine blicken: Fächer für die Dosen, die Dosen selbst, der Zylinder für die künstliche Mentalität und jede Menge Staub, den er sofort beiseite blies. »Tja.«
    »Was ist es?«, fragte Tintin, ganz nervös. »Etwas Schlimmes?«
    »Um dich auf Vordermann zu bringen, müsste ich das eine oder andere Teil besorgen.« Er wackelte an einem verrosteten Draht. »Wenn ich die noch kriege, heißt das. Weiß nur nicht, ob sich die Mühe lohnt.«
    »Bitte«, flehte der Automat. »Für einen Freund.«
    »Für einen Freund, hm?« Ein Lächeln erschien auf Bills Gesicht, er nickte und lachte dann. »Okay Kleiner, ich öle zuerst deine rostigen Scharniere und tausche die Glühbirnen aus.«
    Gesagt, getan.
    Nach einer Viertelstunde war Bill fertig, verschraubte die Abdeckung und setzte sich wieder auf den Boden. Müde lehnte er seinen Rücken gegen den Qula®-Automaten und gähnte herzhaft. »Himmel, bin ich fertig. Werde gleich gehen, Tintin.«
    »Schon?«, fragte der Kasten. »Bleib noch ein wenig, ja?«
    »Nein, muss ins Bett. Aber morgen früh komm ich gleich her und mache dich flott. Mir ist was Hübsches eingefallen, lass dich einfach überraschen.«
    »Hat es vielleicht mit Algen zu tun?«
    »Sieh einer an: doch nicht so doof, wie ich erst dachte.«
    »Na, vielen Dank«, brummte Tintin. »Zu freundlich.«
    Bill pochte gegen die Werbetafel. »Spiel mir noch diesen Jingle vor, ruhig öfters, aber leise. Den werde ich heute als Letztes tauschen.«
    Tintin räusperte sich, jedenfalls klang es danach. »Liebe die Qula®, und die Qula® liebt dich«, hauchte er wiederholt und bemerkte erst später, dass Bill eingedöst war. Langsam dimmte er sein buntes Licht, eine Leuchte nach der nächsten. »Schlaf schön, mein Freund«, flüsterte er, bevor er selbst abschaltete. Die letzte Glühbirne verlosch.
    Stille; nur leiser Straßenlärm rauschte wie das Meer.
    Liebe die Qula®, und dieQula® liebt dich.

OUTAGE
    von Thorsten Küper, Frank Hebben & Uwe Post
    Singh
    Als die Bahn die Brücke überquert, schlägt eine Windböe gegen ihre Flanke, bringt die Scheiben zum Schwingen – und in den darauf eingeblendeten Cornflakes entsteht ein bizarres Wellenmuster: Ein blaue Wölkchen verspritzender Tintenfisch behauptet mit Clownsgrinsen, dieses ach so tolle Genmais-Produkt würde mein Leben lebenswerter machen, dann wird aus dem Tintenfisch ein lachendes Kind, und ich begreife, dass es sinnlos geworden ist, irgendwas einzuwerfen, um auf einen Trip zu kommen. Es reicht, sich die beschissenen Werbefenster der Bahn von innen anzusehen.
    Eine Frau in den Fünfzigern, das Gesicht voller Pickel und aufgeschwemmt, glotzt mich mit schiefem Lächeln an: Ihr läuft ein dünner Speichelfaden aus dem Mundwinkel, den eine Hand mechanisch alle paar Minuten abtupft, ohne dass sich ihr Gesichtsausdruck dabei ändern würde. Irgendwas spielt sich gerade direkt auf ihrer Netzhaut ab. Wer Retinal View nutzt, sieht aus, als würde er nach zwei Wochen Verstopfung zum ersten Mal wieder scheißen können. Vielleicht wird die Heldin ihrer bevorzugten Soap Opera gerade von irgendeinem drittklassigen Schauspieler nach allen Regeln der Kunst flachgelegt, oder sie starrt eine Schweinshaxe an.
    Andere haben das Hier und Jetzt noch nicht komplett ausgeblendet, beäugen mich misstrauisch. Sie beunruhigt die Kapuze, die Kunststoffmaske und die verspiegelte Schutzbrille auf meiner Stirn. Das Shimano steckt zwischen meinen Schenkeln, und niemand wird mich und das Rad voneinander trennen. Wer es versucht, macht Bekanntschaft mit dreißigtausend Volt – an den Eiern. Es heißt, dabei würde einem einer abgehen. Aber nicht so, als würde irgendeine achtzehnjährige Maus dran lutschen. Ein schlechtes Gewissen hätte ich deswegen nicht. Das Shimano ist meine Existenz. Zumindest solange sie mich noch brauchen. Immer dann, wenn etwas, das man nicht zu Daten zerhäckseln und in eine Breitbandleitung pressen kann, von einem Punkt der Stadt zu einem anderen soll. Medikamente, Gewebeproben, Implantate, Zahnersatz. Das ist der offizielle Part. Der inoffizielle hält mich am Leben. Kleine Tütchen, Ampullen, Päckchen, von denen nicht mal ich weiß, dass ich sie transportiere. Reinschauen

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