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Maschinenkinder

Maschinenkinder

Titel: Maschinenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shayol Verlag
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für sie, denn heute wird ihnen jemand einen wirklich großen Haufen vor die Tür legen.
    Hier oben muss ich vorsichtiger fahren. Die Beschwerde eines Passanten könnte dafür sorgen, dass sie mich aus der Sicherheitszone jagen. Also kurve ich mit eleganten Schlenkern um Anzugträger herum, die überdimensionale Regenschirme über ihre Köpfe halten, in deren Innenflächen Börsenkurse, Fernsehprediger oder nackte Wetteransagerinnen projiziert werden. Einige von ihnen werden von kichernden japanischen Manga-Schulmädchen mit riesigen Augen begleitet, die ihnen Termine zuflüstern. Die Regentropfen erzeugen seltsame Interferenzmuster auf der Haut der Hologramme. Wirklich geschafft haben es die Typen, wenn das Mädchen echt ist …
    Links und rechts von mir strecken sich babylonische Türme in den Himmel. Ein Helikopter mit Blaulicht taucht aus einem Seitencanyon aus Stahl und Beton auf und verschwindet hinter einem riesigen segelförmigen Gebäude, auf dessen Fassade sich gerade eine wunderschöne, hundertzwanzig Meter hohe Blondine im Licht der aufgehenden Karibiksonne streckt. Seit wie vielen Monaten habe ich mit keiner Frau mehr geschlafen? Zwanzig oder dreißig?
    Bedeutungslos.
    Wahrscheinlich hat schon jetzt irgendein Scanner das Ding in meinem Magen bemerkt. Aber es trägt eine Kennung als Diagnosesystem. Offiziell hat mir das irgendein Arzt zu schlucken gegeben, um meinen Magen-Darm-Trakt zu überwachen. In Wahrheit wird die kleine Höllenmaschine etwas ganz anderes tun, sobald ich sie zum Leben erwecke. Er hat gesagt, sie haben einen Namen dafür und ich soll auf keinen Fall im Netz danach recherchieren. Genesis 19:11. Hat was. Aber ich nenne es lieber den großen verdienten Tritt in die Ärsche all dieser Anzüge.
    Und ich werde der Stiefel sein.
    Karst-Ölbach
    Endlich ist dieses Meeting vorbei. Siebenundsechzig Minuten Zeitverschwendung. Abgesessene Ineffizienz mit bekritzelten Notizblöcken. Das Firmenlogo oben rechts, hübsch rotgrau, unterm Tisch die schwarzen Nylonstrümpfe der Marketing-Tante.
    Mein Name ist Karst-Ölbach. Mein Job ist es, Zeit und Geld anderer Leute auf eine Weise zu verschwenden, die nach Innovation und Umsatz stinkt: Projektmanagement.
    Auf dem Gang begegnet mir Anna, die Haare heute mal blond gesträhnt, blitzende Leuchtdioden auf den Schneidezähnen. Ich tippe mir an die Schläfe, zoome in den Terminkalender – eine Tagesstruktur in bunten Legosteinen.
    »Hey«, stoppt mich Kollege Henry. »Der Helge«, sagt er, »ist schon nach Hause. Irgendwas am Ohr.« Henrys Zeigefinger kreiselt nahe seiner Ohrmuschel. Jetzt ein Stück Weltraumschrott von rechts, und der Fingernagel knibbelt am Temporallappen.
    Bevor ich mir die Folgen ausmalen kann, ist Henry an mir vorbei. Helge? War das nicht dieser Coder, der immer Matrix-Mäntel trägt? Der einzige Kollege, der neurolinguistische Kampagnen einrichten kann?
    Mit einem Augenwischer zoome ich den rosa blinkenden Legostein heran, auf dem eine nicht mehr ferne Uhrzeit steht. Der Stein entblättert sich, wie die Marketing-Tante es nie für mich tun würde, und entblößt mein Schicksal: 17 Uhr 30, NLP-Kampagne für die GEZ einrichten lassen. Kontakt: Dr. H. Richter. Jetzt anrufen?
    Laufschritt.
    Vielleicht erwische ich Helge noch am Aufzug. Um die Ecke, fast einen Praktikanten mit grinsender Kaffeetasse umgerannt, zur Tür ... Kein Helge, kein Aufzug.
    Mein Canossa heißt Dr. Richter, oberster Image-Beamter bei der GEZ. Es sei denn, ich kratze meine Erinnerungen und die spärliche Dokumentation zusammen, leihe mir ein Passwort und richte die Kampagne selbst ein. Ein paar U-Bahn-Projektionen, synchrone Radiospots und hunderttausend zielgruppenspezifische SMS … das sollte doch zu schaffen sein.
    Sekunden später sitze ich vor dem altmodischen Netbook – Hightech sponsert die Firma nicht – und hämmere auf die Tasten. Kundenmenü, neue Kampagne einrichten, Wollen Sie wirklich eine neue Kampagne einrichten? Ja! Es tut uns Leid, es läuft gerade ein Update. Versuchen Sie es in einigen Minuten noch mal.
    In einigen Minuten ist 17 Uhr 30.
    Die Marketing-Tante huscht draußen vorbei und haucht durch die Tür: »Schönen Feierabend!«
    Mein Deo versagt.
    Singh
    Das Gebäude hat keinen Namenszug, kein Unternehmenslogo, keine Außendisplays, keine Werbeprojektionen, nur ein irgendwie surreales Dach, das wie eine Klinge in den Himmel ragt. Oben gibt es keinen Heliport, lediglich eine einzelne seitlich herausragende Landeplattform. Das Ding ist nur

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